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Zirkus, Zombies, Zauberei
Von 11 bis 111: Ein ganz besonderes Buch über Bosheit und Liebe
Liebe kann die Welt verändern - wie viele Geschichten sind schon darüber geschrieben worden. Vielleicht in der Hoffnung, dass sich in der Beschwörung schon ein Zauber erfüllt.
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Anton Soja: Die wahre Geschichte: vom traurigen Clown Federico, von der wunderschönen Hexe Nadira aus Lüneburg und dem grässlichen Rumpelstilzchen. Illustr. v. Oksana Baturina. Wunderhaus. 138 S., geb., 17,96 €.
Wenn auf dem Titelbild dieses Buches ein schönes Mädchen einen traurigen Clown auf die rote Nase küsst, könnte man eine Märchenidylle erwarten. Doch der Text von Anton Soja ist alles andere als das. Federico heißt eigentlich Fred, und seine rote Nase ist echt. Als er noch nicht laufen konnte, zogen die Eltern ihn aus dem Babybettchen und wieherten vor Lachen, als er mit der Nase voran auf den Boden fiel: »Da sparen wir uns glatt die Schminke. Das wird der beste Clown der Welt.«
Monstereltern, fürwahr, der Wanderzirkus, über den sie befehlen, ist entsprechend. Mammut ist wohl der einzige böse Elefant der Welt. Die Raubtierdompteure Wolkow sind siamesische Zwillinge, die ständig streiten und die Tiere quälen. Ein menschlicher Wurm wird jeden Abend zersägt und ist noch dankbar dafür. Und Federico hat das traurige Los, ständig hinzufallen. Er brüllt vor Schmerz, und das Publikum lacht jedes Mal aus vollem Halse. Nur einmal sitzt da ein Mädchen in schwarzem Kleid, mit schwarzer Augenklappe und Spitzenhandschuhen, das Mitleid hat. Eine Pastorentochter, ihre Eltern kamen bei einem Unfall ums Leben, bei ihrer Großmutter lebt sie, der alten Gemüsefrau. Zusammen gehen sie durch Lüneburg. Wie ist der Autor aus St. Petersburg nur auf die Idee gekommen, diese deutsche Stadt zum Schauplatz zu machen?
Nadira aus Lüneburg wird »einäugige Hexe« genannt. Dass sich zwei Ausgegrenzte ineinander verlieben, man konnte es erwarten. Doch wenn der Autor dann alle Vorstellungen unterläuft und die Handlung auf Zickzackwegen durch solche Turbulenzen führt, die man sich nicht hätte träumen lassen, tun sich im wahrsten Sinne des Wortes Abgründe auf. Eine vermeintliche Leiche, ein Heer von Zombies - für Sekunden denkt man, dass so was doch nicht in ein Kinderbuch gehört.
Aber womit gehen die Heranwachsenden denn um in ihren Videospielen? Geht es darin etwa freundlich zu? Mir scheint, dass der Autor, Liedermacher und Schriftsteller Soja sich gefragt hat, wie das eigentlich Schreckliche zur allgemeinen Belustigung dienen kann. Er tut dies nicht mit pädagogisch erhobenem Zeigefinger. Die Widersprüche der menschlichen Natur, er lässt sie gelten, ebenso wie die der Dämonen. Da taucht aus einem Grab Rumpelstilzchen auf, und irgendwann darf sich jeder etwas wünschen. Ein gutes Ende für alle? Wenn es nur so einfach wäre.
Oksana Baturina, ebenfalls aus St. Petersburg, gab dem Buch wunderschöne Illustrationen mit. Mein Lieblingsbild im Buch ist das auf Seite 99, wo das Geheimnis der Augenklappe gelüftet ist, und das leuchtend blaue Auge … Nein, das soll hier nicht verraten werden. »Eine Minute zuvor hätte sich Nadira nicht träumen lassen, dass sie zu so etwas fähig war.« Wunder gibt es eben doch.
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