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Zu viele Käsesorten
Brillant-unterhaltsame Streifzüge durch die Welt von Georg Stefan Troller
Abenteuer? In fremde Abgründe tauchen, um sich der eigenen zu vergewissern. Georg Stefan Troller weiß: »Jeder ist doch auch Gangster und Nutte, Banker und Boxer, Ketzer und Mystiker in einem.« Er achtete bei Diktatorengattinnen auf schöne Hände, war bezaubert, wenn Mörder Gedichte rezitierten.
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Georg Stefan Troller: Liebe, Lust und Abenteuer. 97 Begegnungen meines Lebens. Corso, 216 S., geb., 22 €.
Er ist sein Leben lang der große, biografiegefräßige Personenbeschreiber geblieben. In Film und Schrift. »Tagebuch mit Menschen« untertitelte er eines seiner zahlreichen Bücher. Wie vertragen sich beim Reporter Feinfühligkeit und Indiskretion, wie Respekt und forschende Hartnäckigkeit? Im Vorwort des vorliegenden Buches staunt er über seine »Zudringlichkeit, ja Unverschämtheit«, mit denen er zu Werke ging, immer »aufs Geheimfach zu, das letztlich jeden Menschen definiert«.
»Liebe, Lust und Abenteuer« - ein folgerichtiger Titel für Sequenzen aus Interviews und Porträts. Von Aznavour bis Tabori, von Delon bis Sartre. Von der Bergman bis zur Piaf. 97 Geistes- und Gemütsskizzen, collagiert im 97. Lebensjahr des Autors. Darunter auch ein Besuch auf Samoa, wo Robert Louis Stevenson begraben liegt. »Froh, wie ich lebte, froh ließ ich die Welt,/ und ich legte mich unverzagt.«
Troller war es, dem Woody Allen seinen herrlichen Satz diktierte: »Nicht, dass ich den Tod fürchte. Ich möchte nur nicht dabei sein, wenn es passiert.« Charles Bukowski: »Die alten Griechen nannten den Wein das Blut der Götter. Mein Bier ist wahrscheinlich die Pisse der Götter, auch recht.« Louis-Ferdinand Céline stellt fest: »Alle, die mich bestohlen haben, sind heute Ritter der Ehrenlegion. Früher hat man die Diebe ans Kreuz gehängt, heute das Kreuz an die Diebe.« Marlene Dietrich weiß: »Es ist immer das Konträre, das uns anzieht. Auch bei der Paarung, bitteschön.«
Wer diesen Journalisten mit seinem Haarzopf, dem prächtigen Schnauzbart, der Pfeife im Mund, dem Trenchcoat sah, der sah das Reporterklischee, der sah raumgreifende Männlichkeit, der dachte an Caféhäuser und Wildnisse, der ahnte die Sensationen des Exotischen, des Extravaganten. Dieser Beobachter der Weltprominenz aller Kontinente; dieser Flaneur, dem alles Flair wurde; dieser Stromernde durch Glamour und Gosse.
Der Mann vom Jahrgang 1921 wollte Theaterautor werden, wäre gern wie ein elegischer Arthur Schnitzler gewesen, ein Tschechow an der Donau. Und wurde - Troller an der Seine. Seit 1949 lebt er in Paris. Der Wiener, den Hitlers Europa verjagte. Der Amerikaner, der zurück nach Europa kam und per Television den fleißigen Deutschen französischen Esprit, den wackeren Teutonen das Perlen aller nur möglichen Leichtsinne, den planfesten Germanen den Roulette-Charakter des Lebens offenbarte. Wie sagte Charles de Gaulle? »Die Franzosen liebt man mehr, als man sie achtet. Bei den Deutschen verhält es sich umgekehrt.« Der Mann weiß überhaupt, wovon er redet: »Wie soll man ein Land regieren, das dreihundert verschiedene Käsesorten kennt?«
Troller interviewte Hunderte. Menschen, die eine Idee leben; Besessene, die in der grundsätzlichen Fremdbestimmtheit unser aller Existenz eine kantige Freiheit behaupten - schmerzheitere und lustgepeinigte Egoisten mit Weltsinn. Ja, Typen! Die ihren Weg gehen, indem sie denen aus dem Weg gehen, die einen Charakter so gern eingemeinden wollen ins konsensfähig Gemäßigte, in das, was sich ziemt. Juliette Gréco: »Nicht das zählt, was man herzeigt. Sondern das, was man verbirgt.«
Jedes Wesen ist ein stummer Schrei danach, anders gelesen zu werden. Das ist Trollers Motto gegen die ideologische Gefahr eines aufklärerischen Journalismus, der aus pädagogischer Absicht soziologisch verarmt und vertrocknet. Er nahm im Idealfall Beichten ab und erteilte vor laufender Kamera Absolution fürs Anderssein. Hypnose bei hellstem Bewusstsein.
Thomas Brasch, nach all den DDR-Schikanen gerade im Westen angekommen, tanzt mit Katharina Thalbach vor Trollers Kamera. Plötzlich wütend: »Sie geben mir jetzt eine schriftliche Bestätigung, dass diese Szene nicht in Ihren Film kommt. Wär ja noch schöner: Dissident Brasch tanzt vor Freude, dass er jetzt im kapitalistischen Ausland sein darf!«
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