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Einzig dem Gewissen gefolgt

Der Whistleblower Edward Snowden erzählt seine Geschichte

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit sechs Jahren lebt Edward Snowden im Moskauer Exil, vor drei Jahren ist seine Freundin Lindsay zu ihm gezogen, vor zwei Jahren haben sie in der russischen Hauptstadt geheiratet - das ist die private Geschichte des kühnsten Whistleblowers, die er einem Millionenpublikum mit seinem Buch »Permanent Record« erzählt. Freiwillig ist das Exil ebenso wenig wie die jahrelange Trennung von der Freundin. Ohne jeglichen Zwang, einzig seinem Gewissen folgend, aus freien Stücken hat er etwas getan, das es ihm unmöglich macht, in seine Heimat, in die Vereinigten Staaten von Amerika zurückzukehren.

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Edward Snowden: Permanent Record. Meine Geschichte. A. d. Amerik. v. Kay Greiners. S. Fischer, 432 S., geb., 22 €.

Eigentlich hat Snowden seinem Land als ein echter Patriot einen großen Dienst erwiesen: Er hat die rechtswidrige Abhörpraxis des US-Auslandsgeheimdienstes, der National Security Agency, der NSA, aufgedeckt, der die eigene Bevölkerung wie auch jene fast aller anderen Staaten, einschließlich deren Regierungen, ausspioniert. Snowden schüttet jetzt sein Herz aus, bricht das Schweigen, das er sich nach seiner spektakulären Enthüllung zunächst selbst auferlegt hatte.

Was treibt einen technisch begnadeten Mitarbeiter eine Abhörmonsters dazu, alles zu »verraten«, was dessen illegale Kernaktivitäten betrifft? Der hohe Respekt vor der US-amerikanischen Verfassung, vor den Menschenrechten, vor dem, was auch das deutsche Bundesverfassungsgericht schon vor Jahrzehnten als das »Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung« in einem Akt justizförmiger Grundgesetzerweiterung definiert hat.

In dem spannend geschriebenen und gut lesbaren Buch kommen allerdings all jene nicht auf ihre Kosten, die eventuell mit einer Veröffentlichung von brisanten Inhalten der von Snowden geheim kopierten Mitschnitte aus aller Welt gerechnet haben. Das ist hier nicht sein Anliegen. Sondern der von ihm angeprangerte Skandal, die Tatsache, dass rechtswidrig abgehört wird, dass illegal der gesamte E-Mail-Verkehr, Banküberweisungen, Internetbestellungen usw. auf den Datenträgern der NSA landen. Das Schnüffeln, Abhören und Abschöpfen ist der Skandal - nicht die Inhalte, die geheimen Interessenten, Dunkelmännern der Gegenwart, illegal zugespielt werden. Davon handelt Snowdens Buch und nicht von dem, was die NSA beim Anzapfen der Kommunikation von Angela Merkel erfuhr.

Ein Kapitel widmet Sowden dem Thema Verschlüsseln, um allen die Möglichkeit an die Hand zu geben, sich so gut wie möglich vor dem Ausgespähtwerden, vor ungehöriger Neugier zu schützen. Der Autor wirbt für Sensibilität und Wachsamkeit. Die gängige Haltung »Ich habe doch nichts zu verbergen« erleichtert das illegale Einsammeln von Kommunikationsdaten, die mit der Sicherheit der USA nichts zu tun haben. Snowden führt etliche Beispiele an, welche Nachteile völlig unbeteiligte Menschen erleiden mussten, nur weil sie zufällig die Aufmerksamkeit eines NSA-Algorithmus erregten.

Eine wichtige Erkenntnis, die zu erheblicher Verunsicherung bei Behörden und Unternehmen führen dürfte, lautet: »Die digitale Revolution hat uns aber in ein Zeitalter versetzt, in dem die größten Effekte zum ersten Mal in der Geschichtsschreibung von ganz unten kommen werden, aus den Rängen, die traditionell den geringsten Anreiz haben, den Status quo aufrechtzuerhalten. Und diese unteren Ränge sind in der Intelligence Community (den Geheimdiensten) wie in praktisch jeder anderen übergroßen, dezentralen Institution, die auf Computer angewiesen ist, durchsetzt von Technikern wie mir. Ihre Zugangsberechtigung zu lebenswichtiger Infrastruktur steht in einem krassen Missverhältnis zu ihrer formalen Befugnis, Einfluss auf die Entscheidungen der Institution zu nehmen. In der Regel besteht ein Ungleichgewicht zwischen dem, was Leute wie ich wissen sollen, und dem, was sie wissen können.«

Das liest sich wie eine moderne Fassung des Satzes: »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.« Aber der starke Arm braucht das Gewissen und die rechtsstaatliche Kultur eines Edward Snowden, dem die Welt so viel verdankt, dass er weiterhin in seinem Moskauer Exil leben muss.

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