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Digitaler oder alter Kapitalismus?
Konferenz der Linkspartei stellte Fragen nach den eigenen Ansprüchen im digitalen Zeitalter
Vor knapp 10 Jahren gab es noch zwei gegensätzliche Szenarien für die digitale Gesellschaft. Manche Linke sahen einen Freifahrtschein in den Kommunismus, eher Konservative darüber klagten, dass ganze Branchen wie die Musikindustrie durch das Internet ruiniert würden. Nichts davon ist eingetreten, konstatierte Sabine Nuss. Sie beschäftigt sich seit Jahren wissenschaftlich mit dem digitalen Kapitalismus und gehört zu den Herausgeber*innen des Sammelbandes »Marx und die Roboter«. Am Samstag moderierte sie den Abschluss der von der Linkspartei organisierten Digitalkonferenz mit dem programmatischen Titel »(K)eine automatische Revolution«. Für Sabine Nuss sind die Klammern überflüssig. Es habe sich in den letzten Jahren an vielen Punkten gezeigt, dass die Digitalisierung den Kapitalismus stärkt.
Über die Frage nach linken Gegenkräften tauschten sich die Teilnehmer*innen am Samstag in zahlreichen Workshops aus. Eingeladen waren Gewerkschaft*innen, Wissenschaftler*innen, Softwareentwickler*innen und Politiker*innen der LINKEN. Die Bandbreite der Debatte wurde schon in den Workshops deutlich. Ihre Themen: »Welchen Sozialstaat brauchen wir für den sozialen Wandel?«. »Leben, lernen und arbeiten in digitalen Dörfern«. Oder »Digitalisierung im Gesundheits- und Pflegesystem und in der Bildung«.
Mit allgemeinen gesellschaftlichen Fragen beschäftigte sich der Workshop »Die Demokratie- und Eigentumsfrage stellen«. Mehrere Teilnehmer*innen betonten, dass eine Demokratisierung der Internetkonzerne nicht mit ihrer Verstaatlichung gleichzusetzen ist. Es könne nicht darum gehen, staatlichen Behörden mehr Daten zukommen zu lassen.
Weitgehend Konsens bestand darin, dass das Internet Bestandteil der öffentlichen Infrastruktur sein soll - wie Wohnungsbau, Bildung oder Gesundheit. Der Vorsitzende der LINKEN Bernd Riexinger wies auf den Widerspruch hin, dass das Internet viele Güter kostenlos zur Verfügung stellt, dass aber durch das kapitalistische Profitinteresse Barrieren eingebaut werden, die genau das verhindern sollen. Riexinger sieht gute Chancen für seine Partei, mit diesen Widersprüchen zu arbeiten.
Das war auch zentrales Thema der Abschlussrunde, die sich mit »digitalen Klassenkämpfen« beschäftigte. Die Journalistin Nina Scholz lehnte den Begriff genauso ab wie auch den Terminus »digitaler Kapitalismus«. Es sei vielmehr der alte Kapitalismus, der schon immer auf Ausbeutung und Arbeitskampf beruhe, betonte Scholz. Sie kritisierte, dass auch die Linkspartei einen feuilletonistischen Katastrophendiskurs bediene und bei der Digitalisierung wie das Kaninchen auf die Schlange starre. Nicht die Gig-Ökonomie, sondern die Gig-Ökonomisierung der Arbeitsverhältnisse sei gewachsen.
Die tatsächlichen Klassenkämpfe seien viel weiter, moniert Scholz die nach ihrer Ansicht zahmen Lösungen der LINKEN. »Warum wird von einem digitalen New Deal und nicht von der Verstaatlichung von Airbnb gesprochen, fragte Scholz mit Verweis auf ein von den LINKE-Politikerinnen Katja Kipping, Anke Domscheit-Berg und Katalin Gennburg vorgelegtes Positionspapier «Digitale Demokratie statt Herrschaft der Monopole». Als Beispiel führte Scholz aktuelle Kämpfe von Google-Beschäftigten in verschiedenen Ländern an.
In den Workshops erinnerte ein Teilnehmer an die Konferenz «Bytes und Bäume», auf der im letzten Jahr die Frage gestellt wurde, welchen Beitrag die Tech-Industrie im Nachhaltigkeits- und Klimadiskurs leisten könne. Dort hätten Mitglieder der LINKEN kaum eine Rolle gespielt. Bernd Riexinger sieht aber gerade eine zentrale Aufgabe der LINKEN dahin, die Kämpfe der Klimabewegung mit den Interessen der Beschäftigten zu verbinden. In der Tarifrunde 2020 für die Beschäftigten des Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) sah er eine gute Chance, Gewerkschaften und Klimaaktivist*innen zusammenzubringen. Schließlich gehe es beiden um die Stärkung des ÖPNV. Das Beispiel gab den Einwänden von Nina Scholz Recht. Hier handelt sich um Klassenkämpfe im Kapitalismus ganz ohne das Adjektiv digital.
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