2500 Euro Geldstrafe für Kristina Hänel

Berufungen gegen erstes Urteil gescheitert / Richterin kritisiert Paragraf 219a

  • Lesedauer: 3 Min.

Gießen. In einem neuen Berufungsprozess wegen des Vorwurfs der verbotenen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist die Ärztin Kristina Hänel vom Landgericht Gießen erneut zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Gericht setzte in seinem Urteil vom Donnerstag 25 Tagessätze zu je 100 Euro fest. Die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze sagte zugleich, die Strafkammer sei nicht der Ansicht, dass der im März reformierte Paragraf 219a, der dem Urteil zugrunde liegt, »strafrechtlich in irgendeiner Hinsicht gelungen ist«.

Die Staatsanwaltschaft wirft Hänel vor, auf ihrer Internetseite Schwangerschaftsabbrüche als Leistung angeboten und damit gegen den Paragrafen 219a verstoßen zu haben. Dieser verbietet Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Die Medizinerin argumentiert, sie habe nicht geworben, sondern Patientinnen informiert. Aufklärung gehöre zu ihren Pflichten als Ärztin.

In erster Instanz hatte das Amtsgericht Gießen Hänel im November 2017 zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Ihre Berufung gegen das Urteil wies das Landgericht Gießen im Oktober 2018 ab. Der Fall kam vor das Oberlandesgericht Frankfurt, das einen neuen Prozess anordnete. Hintergrund für die Entscheidung war eine im vergangenen März geänderte Rechtslage.

»Am liebsten hätte man mich für vogelfrei erklärt«.
Wie Kristina Hänel vor die Schranken des Gerichts geriet und warum sie weiter gegen die entwürdigenden Paragrafen 218 und 219a kämpft.

Der Fall der Gießener Ärztin hatte bundesweit eine Debatte um das Abtreibungsgesetz ausgelöst. Im März wurde dann der Paragraf 219a um einen Absatz ergänzt: Ärzte und Kliniken können demnach öffentlich informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen. Doch auch die Neuregelung ist umstritten. Hänel setzt sich für eine grundsätzliche Klärung vor dem Bundesverfassungsgericht und letztlich die Streichung des Paragrafen ein.

Auch zwei Kasseler Frauenärztinnen hatten wegen verbotener Werbung für Schwangerschaftsbrüche vor Gericht gestanden. Ihr Verfahren wurde im Juli eingestellt. Nach der Gesetzesänderung, so die Begründung des Gerichts, sei keine Strafbarkeit mehr gegeben. Kurz zuvor waren dagegen zwei Berliner Frauenärztinnen zu Geldstrafen verurteilt worden.

Kritiker wollen den Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch streichen. Die Fraktionen der LINKEN und der FDP im Bundestag forderten am Donnerstag erneut die Abschaffung. Das Urteil belege deutlich, dass die Reform des Paragrafen 219a das Problem nicht gelöst habe, nach wie vor seien Ärzte, die lediglich sachlich informieren und so nur ihre Arbeit machen, von Strafen bedroht, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, in Berlin.

Auch die Linkspartei sprach sich dafür aus. Eine neuerliche Verurteilung Hänels sei aufgrund der Gesetzeslage zu erwarten gewesen, teilte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Cornelia Möhring mit. »Es war absehbar, dass es mit der Neuregelung keine Rechtssicherheit geben wird«, ergänzte sie.

Auch die Grünen-Bundestagsfraktion kritisierte mangelnde Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte nach der Reform. »Steht nur ein Wort zu viel auf der Homepage, wird aus zulässiger Information eine strafbewehrte Werbung«, erklärten die Sprecherinnen für Frauen- und Rechtspolitik, Ulle Schauws und Katja Keul. Agenturen/nd

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