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Von der Bucht nach Karlshorst
Geht es nach Bezirk und Senat, ziehen Obdachlose aus Rummelsburg in eine Notunterkunft
Es ist zum Glück nicht so kalt am Mittwochmorgen. Eine Bewohnerin des Grundstücks an der Rummelsburger Bucht, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist skeptisch, als sie von der Nachricht erfährt. »Was für ein Haus soll das sein?«, fragt sie.
Zusammen mit zwei Männern um die 30 sitzt die junge Frau am Feuer, als sie davon hört, dass Senat und Bezirk eine Unterkunft für die obdachlosen Bewohner*innen des Camps anbieten wollen. »Ich denke, man will die Leute hier weghaben, damit es mit den Bauarbeiten für das Aquarium schneller geht«, vermutet einer der Männer, der selbst kein Bewohner des Geländes ist.
Der Bebauungsplan am Ostkreuz, gegen den es sehr viel Widerstand gab und gibt, wird, wie man vor Ort sehen kann, bereits umgesetzt. Die ersten Rohre für das als touristische Attraktion geplante »Coral World« sind verlegt - sie laufen unmittelbar über die Fläche an der Kynaststraße, wo die Zelte stehen. Etwa 100 Menschen leben hier.
Am Dienstagnachmittag haben sich die Sozialverwaltung und das Bezirksamt Lichtenberg mit Trägern von Wohnungslosenhilfe und Angeboten für die obdachlosen Menschen in der Rummelsburger Bucht darauf verständigt, »den Betroffenen Perspektiven zum Verlassen des Grundstücks zu schaffen«, heißt es dazu in einer Erklärung der Verwaltung von Senatorin Elke Breitenbach (LINKE). Dafür will diese kurzfristig eine leerstehende ehemalige Notunterkunft für Flüchtlinge an der Köpenicker Allee im Stadtteil Karlshorst für die gemeinsame Unterbringung der Menschen aus dem Camp an der Rummelsburger Bucht herrichten lassen.
Dies solle im Rahmen der bezirklich finanzierten Kältehilfe erfolgen. Zusätzlich werde geprüft, ob sich ein Grundstück in der Lichtenberger Marktstraße für dieses Vorhaben eignet, so das Schreiben. Das Angebot für die Unterbringung in der Köpenicker Allee gelte bis Ende April. Eine längerfristige Nutzung des Gebäudes sei nicht möglich, heißt es weiter. Die Organisationen Karuna und Gangway würden die Obdachlosen in der Rummelsburger Bucht über das neue Angebot informieren.
»Die Menschen hier benötigen unterschiedliche Dinge«, erklärt die junge Frau aus dem Camp. »Für manche der Älteren hier oder die Straßenkinder und Familien wäre so eine Unterkunft sicher gut.« Andere bräuchten eher einen autonomen Freiraum wie einen Wagenplatz. »Für viele ist ein Leben in der Gesellschaft mit Zwängen verbunden, denen sie sich nicht unterwerfen wollen oder können«, beschreibt sie die Schwierigkeiten, die manche der Menschen haben. Auch sie befürchtet, dass es vor allem darum gehe, die Menschen vor Ort zu verdrängen, denn was wäre denn nach dem Winter? Eine wirkliche Alternative zum Leben in der Bucht sieht sie nicht.
Stefan Strauß, der Sprecher der Senatssozialverwaltung, betrachtet die Möglichkeit des Bezugs der Notunterkunft als ein Angebot, das Grundstück zu verlassen, den Winter in einem beheizten Gebäude zu verbringen und weitere Angebote des Hilfesystems für Wohnungslose wahrzunehmen. »Wir wollen, dass die Menschen sich dort dann auch tagsüber aufhalten können«, sagt Strauß zu »nd«. Vor Ort solle eine Sozialberatung bei der Klärung von Leistungsansprüchen oder der Vermittlung in andere Hilfsangebote behilflich zu sein. Hierfür sei man derzeit auf der Suche nach einem freien Träger.
Schon jetzt, sagt Strauß, stünden den Obdachlosen der Rummelsburger Bucht freie Plätze in den Notübernachtungen der Kältehilfe zur Verfügung. In der vergangenen Woche seien trotz der tiefen Nachttemperaturen von 1155 Plätzen in der Kältehilfe 254 frei geblieben. Auf den Einwand hin, dass für viele Obdachlose bereits die Notunterkünfte zu restriktive Vorgaben der Nutzung hätten, verweist Strauß auf Angebot der Kältehilfe in der Gitschiner Straße. Die Wärme- und Wartehalle biete mit ihren 250 Plätzen eine Alternative zu den geschlossenen Kältebahnhöfen und erlaube es obdachlosen Menschen auch, ihre Tiere mitzubringen. »Auch in der Gitschiner gab es in der letzten Woche noch freie Kapazitäten«, sagt Strauß.
Lutz Müller-Bohlen von der Karuna-Sozialgenossenschaft steht in engem Kontakt mit Bewohner*innen des Camps. »Natürlich haben die Menschen Bedenken, wenn sie hören, dass man sie in ein Haus stecken will, aus dem sie dann Ende April auch schon wieder ausziehen sollen.« Ein solches Angebot mache nur Sinn, wenn man sich mit den Bewohner*innen des Camps unmittelbar verständige, so Müller-Bohlen: »Wir brauchen ›safe places‹, also langfristige Möglichkeiten der Unterbringung, mit angemessenen hygienischen Umständen, die nicht auf absehbare Zeit wieder verlassen werden müssen.« Man müsse über den 30. April hinausdenken.
Die Senatssozialverwaltung plant die Notunterkunft Anfang kommenden Jahres bezugsfertig herzurichten.
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