- Politik
- VVN-BdA
Handlanger
»Wer in dieser Zeit auch nur auf die Idee kommt, Antifaschisten die Gemeinnützigkeit abzusprechen, macht sich zum Handlanger«. Linkspolitikerin Petra Pau klagt an.
Am 10. Mai 1933 ließen die Nazis in Hochschulstädten Bücher ihnen nicht genehmer Autoren verbrennen. Zu ihnen gehörten unter anderen Karl Marx, Sigmund Freud, Kurt Tucholsky, Karl von Ossietzky, auch Heinrich Heine. Der hatte schon zu seinen Lebzeiten gewarnt: »Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.« Und so kam es ja auch.
Alljährlich erinnern wir auf dem Berliner Bebelplatz, wie der damalige Schlossplatz seit langem heißt, mit einem »Lesen gegen das Vergessen« an diese Schande. 2018 las ich Passagen von Erich Kästner. Auch seine Bücher landeten 1933 in den Hass-Flammen. Später, 1956, hatte er rückblickend gemahnt: »Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf ...« Wenn ich aktuell mit dieser Episode unterwegs bin, dann frage ich meist: In welchem Jahr leben wir in Kästners Sinne eigentlich, 1928 oder schon später?
Untersuchungen belegen: Die Zahl jener, die rechtsextreme und rassistische Einstellungen hegen, ist relativ stabil. Aber sie werden immer lauter, in sozialen Medien und im wahren Leben. Einschlägige Straftaten nehmen zu, auch Gewalttaten. Seit 1990 wurden 170 Menschen getötet - nicht nur 100, wie das Bundesinnenministerium statistisch verharmlost. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger werden bedroht, allemal Politikerinnen und Politiker, Journalistinnen und Journalisten und so weiter. Nazis bewaffnen sich, zum Teil massiv. Sie versuchen, Positionen zu erobern, um diese in ihrem Sinne zu missbrauchen, auch in Landtagen und im Bundestag.
Apropos 1928, das folgende Zitat ist von damals: »Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen (…). Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. (...) Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde!« Das war eine unverhohlene Ansage von Joseph Goebbels (NSDAP).
2018 bediente sich der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke genau dieser Nazi-Botschaft. Wer in dieser Zeit auch nur auf die Idee kommt, Antifaschisten, der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit abzusprechen, macht sich zum Handlanger.
Die Linkspolitikerin Petra Pau, Jg. 1963, ist Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.