Asselborn fordert EU-Lösung zur Aufnahme von Flüchtlingskindern

Luxemburgs Außenminister: »Alleingang« einiger Staaten reicht nicht

  • Lesedauer: 4 Min.

Luxemburg. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat eine EU-weite Lösung für die Aufnahme von Kindern aus griechischen Flüchtlingslagern gefordert. Ein »Alleingang einiger weniger Staaten« reiche nicht aus, sagte Asselborn in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview des »Spiegel«. Ohne eine Einigung auf EU-Ebene »kommen wir in dieser Frage nie grundsätzlich voran«.

Es gehe um die Aufnahme von höchstens 4000 Minderjährigen, betonte Asselborn. Sollten alle EU-Mitgliedstaaten mitziehen, wäre die Aufnahme dieser Minderjährigen »für niemanden ein Kraftakt«. Mindestens drei Viertel der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln hätten Anspruch auf Asyl.

Der luxemburgische Außenminister deutete mögliche negative finanzielle Konsequenzen für EU-Staaten an, die sich einer EU-weiten Lösung zur Verteilung von Flüchtlingen verweigerten. »Wenn sich einzelne Mitgliedsländer in Fragen elementarer Menschlichkeit ausklinken, dann wird das stark negative Auswirkung auf den nächsten EU-Haushalt haben«, sagte er.

Die EU sei »eine Gemeinschaft mit gemeinsamen Interessen«, hob Asselborn hervor. Deshalb müsse neben der Rechtsstaatlichkeit »auch die Solidarität in Fragen wie der Asylpolitik in die Verhandlungen um den nächsten Haushalt einbezogen werden«. Die EU ist in der Flüchtlingspolitik tief gespalten. Ungarn, Polen und Tschechien weigern sich seit Jahren, einen EU-Beschluss zur Verteilung von Flüchtlingen umzusetzen.

In Deutschland hatte am vergangenen Wochenende der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck die Debatte neu entfacht - er forderte, Kinder aus den griechischen Lagern nach Deutschland zu holen. Das Bundesinnenministerium wies den Vorstoß jedoch zurück und pochte auf eine europäische Lösung.

Immer weniger Flüchtlinge schaffen es übers Mittelmeer

Unterdessen ist die Zahl der Asylbewerber in Deutschland in diesem Jahr offenbar erneut deutlich gesunken. Aus Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat geht hervor, dass zwischen Januar und November insgesamt 133.270 Menschen erstmals Asyl in Deutschland beantragten, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichten. Das war ein Rückgang um 13 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum. Bereits 2018 war eine Abnahme der Zahl der Asylanträge in Deutschland um 16 Prozent registriert worden.

Lesen Sie auch: Die Aufnahme von 4000 Kindern würde uns nicht überfordern - Bundesländer signalisieren Aufnahmebereitschaft

Auch die Zahl der irregulären Grenzübertritte an der EU-Außengrenze ist in diesem Jahr deutlich zurückgegangen. Bis Ende 2019 würden voraussichtlich etwa 120.000 illegale Einreisen in die Europäische Union gezählt, sagte der Direktor der EU-Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex, Fabrice Leggeri, der Zeitung »Welt« laut einer Vorabmeldung vom Mittwoch. Das seien rund zehn Prozent weniger als 2018. Im Rekordjahr 2015 hatte Frontex noch 1,2 Millionen irreguläre Grenzübertritte registriert.

Frontex stellte im Vergleich zum Vorjahr allerdings steigende Zahlen nach Griechenland und auf die Kanarischen Inseln fest. »Wir haben hier zuletzt einen Anstieg bemerkt«, sagte Leggeri mit Blick auf die Kanaren. »In diesem Jahr sind es 50 Prozent mehr als 2018.« Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gelangten in diesem Jahr rund 2200 Person illegal von Afrika auf die Kanaren.

Spanische Küstenwache rettet an Weihnachten

Die spanische Küstenwache hat an Weihnachten rund 200 Migranten gerettet. Die Migranten seien in mehreren Einsätzen vor der Küste Spaniens und Marokkos aus ihren selbstgebauten Booten gerettet worden, erklärte die Küstenwache am Mittwoch. Die Herkunft der Geretteten blieb zunächst offen. Die größten Einsätze fanden demnach vor der marokkanischen Insel Zaffarin und der kleinen spanischen Insel Alborán statt. Insgesamt wurden dabei rund 120 Menschen gerettet.

Spanien ist eines der Hauptländer, in denen Flüchtlinge und Migranten ankommen, die auf ein besseres Leben in Europa hoffen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben in diesem Jahr insgesamt mindestens 1246 bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen.

Die Zahl der Migranten, die Italien auf dem Seeweg erreichen, hat sich in diesem Jahr im Vergleich zu 2018 halbiert. Gegenüber 2017 ergibt sich sogar ein Rückgang um gut 90 Prozent, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Statistik des Innenministeriums hervorgeht.

Demnach landeten 2019 bis zum 24. Dezember 11 439 Migranten an den italienischen Küsten. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 23 210, im Jahr davor 118 914. Die meisten der Migranten (2654) kamen in diesem Jahr aus Tunesien. Es folgen als Herkunftsländer Pakistan mit 1180 und die Elfenbeinküste mit 1135 Ankömmlingen.

In Italien kommen Migranten oft mit eigenen Booten an

Als Hauptgrund für den starken Rückgang der Migration nach Italien gilt ein umstrittenes Abkommen, das die damalige sozialdemokratische Regierung 2017 mit Libyen schloss. Das Memorandum wurde laut Medienberichten von informellen Vereinbarungen mit diversen Milizen des Bürgerkriegslandes begleitet. Ziel war es, Migranten von Libyen aus nicht aufs Meer hinaus zu lassen.

Nach dem Regierungswechsel 2018 wurde der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, Innenminister. Er verfolgte eine Politik der »geschlossenen Häfen« gegen die Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer. Die seit September dieses Jahres amtierende Mitte-Links-Regierung fährt gegenüber den Hilfsorganisationen einen moderateren Kurs und lässt Rettungsschiffe einlaufen. Allerdings kommt inzwischen der größte Teil der Migranten, die die Küsten des Landes erreichen, mit eigenen Booten oder Schleppern nach Italien. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.