Come together, liebe Leute

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

Komisch. Alle tun immer so, als sei Weihnachten, Abendland, Nächstenliebe und diese ganze Scheiße so wichtig, und trotzdem wird schon wieder überall nur Galle gespuckt. Menschen, die so anmaßend sind, nicht sterben zu wollen, und sich ein gutes Leben wünschen, sollen bloß nicht in unser geiles Deutschland kommen; Männer versuchen mal wieder, unsere Kultur und unsere Frauen vor dem Zugriff Fremder zu verteidigen, und belästigen aus diesem Grunde (teilweise echt an Heiligabend!) auf Twitter ein paar Frauen; irgendwas ist schon wieder mit Böllern; JK Rowling, »Emma« und Fans äußern ganz sachlich wie back in the good old days, dass Transmenschen nur spinnen; und dann ist noch was mit irgendeiner Netflix-Serie, die gut oder schlecht sein soll - und wen interessiert denn so was? Mich natürlich. Im Gegensatz zu den anderen bin ich sehr friedliebend, mir bedeutet das Besinnlichkeitsding nämlich noch was.

Wer ich bin? Ach, das spielt doch keine Rolle. Mir geht es um die Sache. Um die Sachen. Um alle Sachen. Aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich bin jung, ich bin eine Entrepreneurin, ich liebe das Internet, ich habe ein Geschäft oder zwei, mir fetzt die Periode, ich habe nichts gegen Ficken, und ich habe die Idee. DIE Idee. Wer kein schlechter Mensch ist oder es nicht mehr sein will, bitte gut zuhören. Sagen wir, ich könnte dafür sorgen, dass wir uns alle mal an einen Tisch setzen. Da wir alle sehr viele sind, müsste es ein sehr langer Tisch sein, wie lang genau, müssen wir noch ausrechnen. Dafür habe ich weitere ganz normale Menschen, die wie ich Geschäfte, interessante Marken und Geld haben, an Bord geholt. Stellen Sie sich das doch mal vor! Ein Tisch! Der durch halb Berlin führt oder einmal komplett drum herum! Hunderttausende Menschen! Alles kommt mal zur Sprache! Wie Weihnachten mit der Familie, nur mit Menschen, mit denen Sie eigentlich noch weniger gern Zeit verbringen! Doch jetzt gilt’s!

Und dann besprechen wir alles mal so ratzefatze weg. Wie es uns geht, warum wir den Abwasch so ungern machen, wie wir in Zukunft mit unserer Wut besser umgehen können, warum wir uns schon so lang keine Postkarten mehr geschrieben haben, welche Missverständnisse wir untereinander bei der ein oder anderen Facebook-Diskussion hatten, wie wir am liebsten unsere Milch trinken und wann wir mal gedenken, unser Studium zu beenden oder unseren Eltern zu verzeihen. Einfach mal richtig schön reden, alles kommt, Achtung: auf den Tisch. Stattfinden soll es irgendwann im nächsten Jahr, erst einmal brauchen wir Geld. Für Tische, Stühle, Werbung und mein interessantes Geschäft. Jeder kann sich außerdem schon mal einen Platz besorgen, es kostet nur 20 Euro und ist damit günstiger als andere Quatschveranstaltungen von viel zwielichtigeren Leuten. Wir sehen uns. Let’s take a seat. Kommt in mein Geschäft!

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