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Die Vergeltung ist sicher
Nach Donald Trumps Mordbefehl gegen einen Anführer der Revolutionsgarden wächst die Angst vor einem Krieg mit Iran.
Es steht ein neuer Krieg vor der Tür und eine alte Drohung des ermordeten iranischen Generals, Qassam Soleimani, könnte sich bewahrheiten. »Wenn ihr den Krieg beginnt, werden wir ihn beenden«, sagte er 2018 an US-Präsident Donald Trump gerichtet. In der Nacht zu Freitag hat das US-Militär per Drohnenangriff Soleimani, Anführer der iranischen Eliteeinheit al-Quds-Brigaden, und seinen irakischen Begleiter, Jamal Jafaar Mohammed Ali Ebrahimi, getötet. Der 66-jährige Ebrahimi, Kampfname »al-Muhandis« - der Ingenieur - war der engste Militärberater Soleimanis, Vize-Chef der Volksmobilisierungseinheiten und Anführer der Katayib Hisbollah - jene Miliz, deren Anhänger vergangene Woche die irakische Botschaft gewaltsam blockierten. Die beiden Männer waren in einem Autokonvoi vom Flughafen Bagdad unterwegs.
Am Freitag verkündete ein Sprecher im iranischen Staatsfernsehen: »Die kurze Freude der Amerikaner und der Zionisten wird in Trauer umschlagen.« Der frühere Chef der Revolutionsgarden, Mohsen Resai, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: »Unsere Rache an Amerika wird schrecklich sein.« Ein Nachfolger für Soleimanis wurde bereits ernannt. Der bisherige Brigadegeneral Esmail Ghaani wird fortan die Quds-Brigaden leiten.
Die US-Regierung hat am Freitag all ihre Staatsbürger zur sofortigen Ausreise aus Irak aufgefordert. Dabei hatte das US-Verteidigungsministerium nur wenige Stunden zuvor den Mord an Soleimani damit begründet, man wolle das Leben US-amerikanischer Staatsbürger schützen. US-Außenminister Mike Pompeo betonte am Freitag gegenüber dem Nachrichtensender CNN, man wolle keinen Krieg mit Iran, doch Soleimani sei dabei gewesen, einen Angriff zu planen, der »Dutzende, vielleicht sogar Hunderte Leben von US-Bürgern in Gefahr gebracht hätte«.
Die Spannungen zwischen beiden Ländern hatten sich spätestens seit dem Ausstieg der USA aus dem gemeinsamen Atomabkommen 2018 hochgeschaukelt. Die seit Anfang Oktober andauernden landesweiten Massenproteste in Irak hatten dafür gesorgt, dass sowohl die USA wie auch Iran um ihren Einfluss im Land bangen mussten. Eine der zentralen Forderungen der Protestbewegung ist ein Ende jeglichen ausländischen Einflusses auf die Politik. In der vergangenen Woche geriet die Situation dann zunehmend außer Kontrolle. Pro-iranische Milizen nutzten die Gunst der Stunde, um sowohl Demonstranten als auch Stellungen des US-Militärs anzugreifen. Die USA reagierten auf die Angriffe mit Luftschlägen, worauf Anhänger der Miliz Katayib Hisbollah die US-amerikanische Botschaft in Bagdad blockierten. Dahinter werden die Strippenzieher Soleimani und al-Muhandis vermutet.
Die Rache Irans wird kommen
Wie genau nun die Rache Irans aussehen wird, lässt sich schwer absehen. Sicher ist, dass sie kommt. Sie dürfte von jenen pro-iranischen Kräften ausgehen, die man über die Region verteilt ausgebildet, finanziert und ausgerüstet hat. Als Reaktion auf den tödlichen US-Angriff forderte der einflussreiche irakische Schiitenführer Moktada al-Sadr seine Kämpfer auf, sich »bereit zu halten«. In Jemen schrieb ein ranghoher Vertreter der schiitischen Huthi-Rebellen auf Twitter: »Wir verurteilen dieses Attentat, und die Antwort darauf sind schnelle und direkte Vergeltungsmaßnahmen«. Der libanesische Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah foderte für die »verbrecherischen Mörder« eine »gerechte Bestrafung«.
Iran hat in den vergangenen Jahren alles daran gesetzt, sich in der Region festzubeißen und den Einfluss der USA einzudämmen. Genau das war auch die Aufgabe Soleimanis in Irak. Zusammen mit al-Muhandis, der während Saddams Herrschaft nach Iran floh, die Staatsbürgerschaft annahm und nach dem Sturz des Diktators zurückkehrte, war er verantwortlich für den Aufbau der Haschd al-Shaabi, einer mehrheitlich schiitischen paramilitärischen Dachorganisation, die maßgeblich am Kampf gegen den Islamischen Staat in Irak und Syrien beteiligt war. 2015 wurden sie offiziell in die irakischen Streitkräfte eingegliedert. Das besiegelte auch den bestimmenden Einfluss Teherans auf das Nachbarland.
In Syrien agierte Iran ähnlich. Durch Unterstützung des Präsidenten Baschar al-Assad konnten pro-iranische Milizen erheblich Einfluss gewinnen. All diese Entwicklungen gingen nicht unbemerkt an der Regierung in Washington vorbei. Doch Trump wie auch vor ihm Barack Obama standen unter immensem innenpolitischen Druck. Ein Großteil der US-Amerikaner hatte genug von den ewigen und kaum ertragreichen Auslandseinsätzen der US-Armee in Irak und Afghanistan. Beide US-Präsidenten versprachen einen vollständigen Abzug der Streitkräfte aus der Region.
Ein Bauernsohn will nach oben
Das Verhältnis zwischen den USA und Iran ist seit der islamischen Revolution 1979 angespannt. Von Anfang an mit dabei: Qassem Soleimani. Ein armer Bauernsohn, der direkt nach dem Sturz des Schahs in die Revolutionsgarden eintrat - jene militärische Institution, die tief in Wirtschaft und Politik des Landes verstrickt ist und somit weitaus mächtiger als jede herkömmliche Armee.
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Ende der 1990er Jahre wurde Soleimani Kommandant der Quds-Brigaden, einer zwischen 5000 und 15 000 Mann starken Eliteeinheit der Revolutionsgarden, über deren genaue Größe und Schlagkraft kaum etwas bekannt ist. Doch ihr Name sagt viel über die Zielrichtung der Einheit aus: »Quds« ist der arabische Name für Jerusalem und wird oft als Kampfbegriff gegen die aus iranischer Sicht illegale Besetzung der Stadt durch Israel verwendet. »Für die Schiiten im Nahen Osten ist er eine Mischung aus James Bond, Erwin Rommel und Lady Gaga«, beschrieb der frühere CIA-Experte Kenneth Pollack den General im US-Magazin »Time«, das Soleimani 2017 zu den hundert einflussreichsten Menschen der Welt zählte. Der General war nach Einschätzung diverser Experten auch für die engen Beziehungen Teherans zur libanesischen Hisbollah-Miliz und zur palästinensischen Hamas verantwortlich. Zudem hatte er in Afghanistan lange Jahre die Nordallianz in ihrem Kampf gegen die sunnitischen Taliban unterstützt.
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