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Nach Drohungen: Bürgermeister tritt zurück
Rechter Terror in niedersächsischer Gemeinde / Unbekannte kündigen »Vergasen« an / Hakenkreuzschmierereien
»Wir vergasen dich wie die Antifa«: Vor wenigen Wochen fand Arnd Focke, Bürgermeister im 50 Kilometer nordwestlich von Hannover gelegenen Estorf, einen Zettel mit dieser Ankündigung in seinem Briefkasten. Ohne irgendeinen Hinweis, wer hinter dieser Drohung steckt. Nicht die erste, die den Kommunalpolitiker getroffen hatte, und nicht die einzige Attacke offenbar rechtsextremistischer Kreise auf den Sozialdemokraten.
Unlängst ist das Privatauto des 48-Jährigen mit Hakenkreuzen beschmiert worden, und nachts wurden Focke und seine Familie mehrfach von Telefonanrufen aus dem Schlaf gerissen. An anderen Ende der Leitung: Unbekannte, die Beschimpfungen und Drohungen ausstießen. Focke hat genug: Er ist von seinen Ämtern als Bürgermeister und als Ratsmitglied der Samtgemeinde Mittelweser zurückgetreten.
Vermutungen, hinter dem Terror könnten Einwohner der 1800 Menschen zählenden Gemeinde stehen, die Focke seine Zustimmung zur Erhöhung der Grundsteuer um 25 Prozent verübeln, tritt der SPD-Mann entgegen. »Ich wäre auch Bürgermeister, wen wir um 100 Prozent erhöht hätten«, sagte er auf einem Neujahrsempfang der Gemeinde. Dort versprach Focke: »Die Nazis werden mich nicht los. Ich werde weiter meine Stimme erheben gegen alles, was Rechts ist.«
Was aber treibt die noch unbekannten Täter zu ihren Schmähungen und Drohungen? Es sind nicht die ersten Angriffe dieser Art, die Arnd Focke erdulden musste. Schon vor einiger Zeit, so berichtet er, sei er von Rechtsextremen durch nächtliche Anrufe belästigt worden. Der Anlass dafür sei unter anderem sein Engagement in der Flüchtlingshilfe gewesen.
»Schwachsinn« sei es, schreibt Focke auf »Facebook«, wenn es heiße, er gehe nach acht Jahren, weil er »keinen Bock mehr habe oder aus Estorf wegziehe«. »Ich nehme angesichts massivster persönlicher rechter Anfeindungen, Bedrohungen und Diffamierungen meinen Hut, um mich und mein ganz privates Umfeld zu schützen« unterstreicht der ehemalige Bürgermeister in dem sozialen Netzwerk.
Sein Amt übernimmt kommissarisch der bislang stellvertretende Bürgermeister Helmut List (parteilos). Im Verlauf des Neujahrsempfangs sagte er: Die Gemeinde respektiere Fockes Entscheidung, bedauere sie aber sehr. Sodann verlas List eine Erklärung, die der Estorfer Pastor Oliver Friedrich nach dem Heiligabend-Gottesdienst abgegeben hatte. Als »feige« verurteilte der Geistliche darin das Vorgehen der Rechtsextremisten. »Sie wollen ein Klima der Angst mit dem Ziel, demokratische Strukturen zu Fall zu bringen«. Leider sei das jüngste Geschehen kein Einzelfall, so Pastor Friedrich.
Den »Fällen« von Angriffen aus der rechtsextremen Szene gegen Kommunalpolitiker widmete sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), als er beim Neujahrsempfang der Evangelischen Landeskirche Hannovers forderte: Es gelte, eine freie, eine tolerante und respektvolle Gesellschaft zu verteidigen. »Wenn wir uns dieser Aufgabe stellen, werden wir es wesentlich konsequenter tun müssen als in der Vergangenheit.« Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, gegenüber Journalistinnen und Journalisten, Angriffe auf Synagogen und Moscheen und ihre Gläubigen seien mittlerweile keine seltenen Ausnahmen mehr, gab der Regierungschef zu bedenken. »Der Staat wird dieser Herausforderung noch einmal wesentlich deutlicher entgegentreten müssen als bislang«, betonte Weil.
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