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Kampf um das Erbe Corbyns
In der britischen Labour-Party ist das Rennen um die Nachfolge des Parteivorsitzenden eröffnet
Zunächst musste sich die Labour-Partei die Wunden lecken. Der Schock der Wahlniederlage im Dezember saß tief, und die Weihnachtsferien brachten eine willkommene Erholung von der Politik. Aber nunmehr blickt Labour in die Zukunft: Der Kampf um die Nachfolge von Jeremy Corbyn ist in vollem Gang, fünf Kandidat*innen treten zur Wahl an.
Die Entscheidung fällt erst Anfang April, aber schon jetzt scheint sicher: Eine Rückkehr in die politische Mitte wird es kaum geben. Um sich für die Wahl zu qualifizieren, mussten die Anwärterinnen und Anwärter eine ausreichende Zahl von Fraktionsmitgliedern für sich gewinnen.
Spitzenreiter ist Keir Starmer (57), den am Montag 88 Parteikollegen nominierten. Starmer - der einzige Mann unter den Kandidat*innen - war in Corbyns Schattenkabinett verantwortlich für die EU-Politik. Als glühender EU-Anhänger engagierte er sich für ein zweites Referendum und war mitverantwortlich dafür, dass sich Labour schlussendlich für diese Strategie entschied. Das macht ihn besonders unter Europafreunden beliebt. Auch kann Starmer jede Menge Erfahrung vorweisen - er arbeitete jahrelang als Vorsitzender des Crown Prosecution Service, also der britischen Staatsanwaltschaft. Doch auf der anderen Seite wird ihm gerade dies vorgehalten: Viele Parteilinke kritisieren ihn als »Kandidaten des Establishment« - das Gegenteil dessen, wofür Corbyn stand.
Die Anwärterin, die sich am deutlichsten für eine Fortführung der dezidiert linken Politik einsetzt, ist Rebecca Long-Bailey, die mit 33 Nominierungen an zweiter Stelle einlief. Die 40-jährige Long-Bailey - oder RLB, wie sie oft abgekürzt wird - ist eine Corbyn-Anhängerin und ist »entschlossen, den demokratischen Sozialismus« zu verwirklichen. Sie sieht ein umfassendes Investitionsprogramm in Form eines »Green New Deal« als besten Weg, die Spaltung des Landes zu überbrücken: »So wird euch Labour helfen, die Kontrolle zurückzuerobern«, schreibt sie in Anlehnung an das Brexit-Motto.
Andere Kandidatinnen hingegen wünschen sich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Erbe Corbyns. Lisa Nandy (40) zum Beispiel, Abgeordnete für den nordenglischen Sitz Wigan, sieht insbesondere die Brexit-Politik der Parteiführung als einen der Hauptgründe für die Wahlschlappe: Anstatt eines zweiten Referendums hätte Jeremy Corbyn an seiner ursprünglichen Idee eines »weichen« Brexit festhalten müssen. »Das wäre die einzige Möglichkeit gewesen, das Ausmaß des Zusammenbruchs von Labour im Norden und in den Midlands zu verhindern«, sagte Nandy.
Kritisch über Corbyn äußern sich auch die zwei letztplatzierten Kandidatinnen, Jess Phillips und Emily Thornberry, wenn sie auch nicht die Brexit-Politik Nandys teilen; sie haben jedoch kaum Chancen, den Vorsitz zu gewinnen.
Bezeichnend für den Wahlkampf ist die Tatsache, dass niemand dafür eintritt, mit dem wirtschaftspolitischen Linkskurs Corbyns vollständig zu brechen. Umfragen nach der Wahl zeigen, dass das Programm Labours insgesamt sehr beliebt war, von den Verstaatlichungsplänen bis zur stärkeren Besteuerung reicher Bürger. Selbst die Tories unter Boris Johnson scheinen sich dessen bewusst, zumindest hat die Regierung angekündigt, ärmeren Gegenden mit mehr staatlichen Investitionen unter die Arme zu greifen.
Das zeigt, wie stark sich die öffentliche Debatte innerhalb der vier Corbyn-Jahre verändert hat - und dass sich Labour mit der Beibehaltung eines gewissen Radikalismus in Zukunft Erfolg verspricht.
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