So schlecht wie seit 2013 nicht mehr

Das Wirtschaftswachstum fiel 2019 mit 0,6 Prozent weitaus schlechter als in den Jahren zuvor aus

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass der deutschen Wirtschaft langsam, aber sicher die Puste ausgeht, ist schon seit längerem bekannt. Nun gibt es offizielle Zahlen, wie das vergangene Jahr gelaufen ist: Um nur noch 0,6 Prozent ist die Wirtschaft nach Abzug der Inflation gewachsen, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Berlin mit. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 1,5 und 2017 sogar 2,5 Prozent. Gestützt wurde das Wachstum vor allem von den Ausgaben der privaten Haushalte und des Staates. Diese stiegen 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 2,9 beziehungsweise 5,0 Prozent. Der Wachstumsbeitrag des Außenhandels war hingegen negativ, weil die Importe weitaus schneller als die Exporte stiegen.

Das Wachstum ist damit immerhin etwas besser ausgefallen als von vielen Ökonomen erwartet. Sowohl die Bundesregierung in ihrer Herbstprojektion als auch fünf führende Wirtschaftsinstitute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose und DGB-nahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung waren in ihren jüngsten Prognosen von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,5 Prozent ausgegangen. Vor allem machte in der zweiten Jahreshälfte schon die Angst vor einer Rezession die Runde. Nachdem die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um 0,2 Prozent gesunken war, bangten viele, was im Herbst passieren würde. Wenn das BIP zwei Quartale in Folge zurückgeht, sprechen Ökonomen nämlich von einer technischen Rezession. Als das Statistische Bundesamt im November dann vermeldete, dass das BIP von Juli bis September um 0,1 Prozent gewachsen sei, war die Erleichterung groß.

Doch die nun verkündeten 0,6 Prozent Wachstum sind wahrlich kein Grund zur Freude. Es ist das schlechteste Wachstum seit den Jahren 2012 und 2013. Damals stieg die Wirtschaftsleistung um jeweils 0,4 Prozent an. Doch die Ausgangslage ist jetzt eine andere: Vor sieben und acht Jahren befand sich die EU in der Eurokrise. In vielen Ländern brach die Wirtschaftsleistung auch wegen massiver Sparprogramme ein. In Griechenland und Spanien schoss die Arbeitslosigkeit auf über 25 Prozent in die Höhe. In beiden Ländern war damals rund jeder zweite junge Erwachsene ohne Arbeit. Dass es in Deutschland überhaupt bergauf ging, wurde als Erfolg des hiesigen, auf Export getrimmten Wirtschaftsmodells bewertet. Nun wird aber dessen Zukunftsfähigkeit infrage gestellt.

»Die hiesige Automobilindustrie befindet sich in einer Rezession - die angrenzenden Wirtschaftsbereiche wurden von dieser Schwäche ebenfalls erfasst. Auch die eigentlichen Exportschlager im Maschinen- und Anlagenbau wurden erheblich weniger nachgefragt«, kommentierte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Claus Michelsen, die Zahlen. So vermeldete der Verband der Automobilindustrie Anfang Januar einen Rückgang der Produktion um neun Prozent im vergangenen Jahr.

Zum einen liegt dies an den zahlreichen Handelsstreitigkeiten und dem Brexit, die auf die Nachfrage im Ausland drückten. Dies traf besonders die exportorientierte Industrie, die Ausfuhren der Autobauer etwa sackten 2019 um 13 Prozent ab. Zum anderen steht in den Sternen, ob die Industrie den anstehenden Strukturwandel schaffen wird. Dicke, viel Sprit schluckende Diesel-SUV passen eben nicht in eine klimaneutrale Zukunft. Doch auf eben solche und ähnliche Modelle haben sich BMW, VW und Mercedes spezialisiert. Ob sie bald mit neuen, klimafreundlichen Verkaufsschlagern aufwarten können, ist fraglich.

So wird seit geraumer Zeit der Ruf nach staatlichem Handeln lauter. »Der Rückgang der Wirtschaftsleistung in weiten Teilen der Industrie zeigt deutlich, wie dringend derzeit eine aktive Industriepolitik gebraucht wird«, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Klaus Ernst. »Genauso wichtig wäre es, den staatlichen Überschuss in die sozial-ökologische Transformation zu investieren und hierüber Wachstumsimpulse zu erzeugen.«

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