Vorsicht, Anpfiff!

Alexander Ludewig versteht den Unmut über den Videobeweis

Wenn an diesem Freitag Schalkes und Mönchengladbachs Fußballer die Rückrunde der Bundesliga eröffnen, wird’s wieder spannend. Die Gladbacher sind als Zweiter erster Verfolger von Leipzig, die Schalker trennen auf Platz fünf sieben Punkte vom Herbstmeister. Für nur noch fünf der 18 Erstligatrainer ist in der sonst so einseitig beantworteten Meisterfrage der FC Bayern Titelfavorit, vier sehen am Ende die RasenBallsportler aus der Messestadt ganz vorn.

Doch Vorsicht: Mit dem Anpfiff geht auch der Ärger wieder los. Enttäuschungen über Fehler und Niederlagen des eigenen Teams ertragen Fans zumeist aus Liebe zu ihrem Verein. Die unter ihnen weit verbreitete Wut über die Entfremdung des Spiels aber ist und bleibt ein grundlegendes Problem. Ein Teil davon ist der Videobeweis, der dem Fußball die Emotionalität raubt - durch quälend langes Warten auf Gewissheit, nicht nachvollziehbare Entscheidungen oder gar falsche.

Wer Zuschauer nur als Konsumenten sieht, mag die bundesweiten Proteste gegen den Videobeweis für folkloristisch halten. Jochen Drees tut das nicht. Der DFB-Projektleiter Videobeweis vertröstet stattdessen und verspricht Besserung: »Das ist ein immer weiter gehender Prozess.« Fakt ist: Auch zweieinhalb Jahre nach der Einführung funktioniert das System »Video Assistent Referee« (VAR) nicht zufriedenstellend. Nirgendwo. Englands ehemaliger Nationalstürmer Gary Lineker ist als Fernsehexperte mit seinen Kommentaren ebenso treffsicher wie früher auf dem Platz. Er meint: »Wenn der VAR ein Trainer wäre, wäre er schon längst entlassen worden.«

Und was sagen die Hauptdarsteller? Klappt der Videobeweis nun besser? »Nein!«, lautet die Antwort von 239 Bundesligaprofis in einer aktuellen Umfrage des »kicker«. Noch deutlicher wird Leverkusens Sportchef Rudi Völler: »Ich sehne mich nach der Zeit vor dem Videobeweis.«

Auf diese massive Ablehnung reagierten die Regelhüter des Weltfußballs in der Winterpause. Beim International Football Association Board wurde beispielsweise darüber nachgedacht, dass so genannte Mini-Abseits abzuschaffen. Damit würde der Videobeweis noch absurder, war er doch eingeführt worden, um den Fußball gerechter zu machen. Sollte es nun im menschlichen Ermessen liegen, ob fünf Zentimeter Abseits sind oder nicht, werden Diskussionen noch häufiger und heftiger. Gefühlt sind sie es im Vergleich zur Zeit ohne Videobeweis schon jetzt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.