Schimmel, Müll, Leerstand

Mieter am Kreuzberger Mehringplatz demonstrieren gegen Vernachlässigung ihrer Häuser

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Jetzt kommen wir zu den Kellern«, sagt die Leiterin der Mieterversammlung. Die meisten der rund zwei Dutzend Menschen im Raum verziehen die Gesichter. Allein schon der Gedanke an die Katakomben der Wohnanlage in der Kreuzberger Wilhelmstraße 2 bis 6, direkt gegenüber der Bundeszentrale der SPD gelegen, ekelt sie. Dreck, Schimmel, Rattenkot, die Hälfte der Keller sei vermüllt, so das Ergebnis der Begehung. »Es sieht wirklich schlimm aus. Es gibt da Dreckecken, so etwas habe ich noch nicht gesehen«, sagt eine Mieterin.

Im August 2019 gab es einen Wassereinbruch im Keller, doch die Folgen sind immer noch nicht beseitigt. Es ist nur eines der Probleme, mit denen sich die Bewohner herumschlagen müssen, weil die Eigentümer diese Wohnanlage verkommen lassen. Aber der Wassereinbruch hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Mieter haben sich organisiert. »Mehringplatz West - Es reicht!«, so der eindeutige Titel. Alle zwei Wochen treffen sie sich in einem nahe gelegenen Gemeinschaftsraum. Bei dem Treffen diese Woche geht es nicht nur um den Keller, sondern vor allem um die Demonstration. Diesen Sonntag um 15 Uhr wollen sie auf die Straße gehen, auf die Friedrichstraße, die hier eine Fußgängerzone ist. Wer verteilt die Aufrufe an die über 300 Wohnungen, wer plakatiert in den Geschäften, wer meldet den »Demonstrations-Spaziergang« an? Lebhaft wird es, als geklärt wird, wer Kuchen für die anschließende Feier mitbringt.

Keinen Kuchen, aber die Rede für die Demo gegen das Agieren der Hausverwaltung »BauGrund Immobilien Management« aus Bonn liefert Daniela Berger. Die 42-jährige Webentwicklerin wohnt seit über vier Jahren in einem Sechzehngeschosser der Anlage. Etwas über 1000 Euro Warmmiete zahlt sie für die 77 Quadratmeter große Wohnung. »Meine Wohnung ist mein SUV«, sagt sie. Glücklich sei sie gewesen, als sie die Wohnung gefunden habe. »Sie ist gut geschnitten, liegt zentral und ist noch für mich bezahlbar«, erklärt Berger. »Doch mit der Höhe der Mieten ist das Wohnungsproblem in Berlin noch nicht vollumfänglich beschrieben«, merkt sie an.

»Hier müsste eine Strangsanierung gemacht werden, die Dächer müssten saniert werden«, berichtet Berger. »Die Hausverwaltung nennt den Komplex intern das Wasserschlösschen«, sagt sie. »Wenn es irgendein Problem gibt, müssen wir eine Tickethotline anrufen. Ich habe neun verschiedene Telefonnummern. Irgendwelche outgesourcten Damen in Bonn nehmen das entgegen«, berichtet sie. Selbst Anwaltsbriefe würden nicht mehr beantwortet.

Dann noch das Problem mit den Drogenabhängigen. Sie nutzen Kellerräume und Treppenhäuser zum Konsum. Seit August haben sie den Sicherheitsdienst, den es mal gab, nicht mehr gesehen. Verschärft wird das Problem durch den zunehmenden Leerstand. Die Mieter haben inzwischen mindestens 30 unbewohnte Wohnungen gezählt. Allein in der Hausnummer 2 quellen zehn Briefkästen über, obwohl am Klingelschild nur zwei Namensfelder leer sind. Wohnungsinteressenten berichten von einem Vermietungsstopp.

»Wir bedauern, dass in der Liegenschaft am Berliner Mehringplatz die derzeit beschriebenen Mängel bestehen. Wir sind seit rund zwei Jahren vom Eigentümer dieser Liegenschaft für die Verwaltung beauftragt und arbeiten seither intensiv an deren Behebung«, antwortet Jochen Dorner von der Hausverwaltung BauGrund auf nd-Anfrage. Umfangreiche Maßnahmen im Bereich des Kellers seien bereits umgesetzt und ein Wachschutz beauftragt. »Als Dienstleister haben wir jedoch keine Möglichkeit Investitionsentscheidungen zu treffen und handeln im Rahmen des an uns beauftragten Leistungsbildes. Dazu befinden wir uns in enger Abstimmung mit dem Eigentümer, an dessen Schwerpunktsetzung wir uns entsprechend orientieren«, so Dorner weiter.

So schlimm ist es geworden, seitdem die Häuser an das Luxemburger Unternehmen Optimum Asset Management verkauft worden sind. »Die Eigentümer scheinen keinerlei Interesse daran zu haben, dass hier Menschen wohnen, für sie sind die Häuser ein reines Spekulationsobjekt. Sie üben Druck aus, um Kosten zu sparen, alles rauszuholen«, sagt Daniela Berger. Die Organisation der »poppig-knallbunten Mieterschaft« sei schwierig, berichtet sie. Sie lobt Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler (LINKE) und Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) für die Unterstützung. »Ohne die beiden wären wir längst noch nicht so organisiert«, sagt Berger.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.