Bewegender Stillstand

Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr Mecklenburg-Vorpommerns soll Druck auf Arbeitgeber erhöhen

»Wenn wir unsere Wirkung erzielen wollen, wenn wir die Arbeitgeber bewegen wollen, muss alles stehen«, sagt Karl-Heinz Pliete, ver.di-Landesstreikleiter am Donnerstagmorgen in eine NDR-Kamera. Pliete steht da auf dem Betriebsgelände der Rostocker Straßenbahn AG und erklärt dem Reporter, dass in der Hansestadt rund 45 000 Menschen von dem Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr betroffen sind. Der Sender hat einen Live-Blog eingerichtet, im Radio ist der Arbeitskampf der Bus- und Bahnfahrer in Mecklenburg-Vorpommern ein Topthema: Die Tarifauseinandersetzung zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Kommunalen Arbeitgeberverband MV bewegt das Land - weil (fast) alles stillsteht.

Wer auf das Auto umgestiegen war, musste wie in Rostock mit erhöhtem Verkehrsaufkommen und Staus rechnen. Von der relativ kurzfristig am Vortag angekündigten Arbeitsniederlegung, die laut Pliete bis in die frühen Morgenstunden am Freitag dauern sollte, waren die Regionen Rostock, Greifswald und die Landkreise außer Vorpommern-Greifswald betroffen. In Schwerin, Neubrandenburg und Neustrelitz verkehrte der Stadtverkehr regulär.

Vom Streik betroffen waren neben Berufspendlern vor allem Schüler. Für die gilt laut Bildungsministerium im Fall eines Nahverkehrsstreiks die Regel: »Schülerinnen und Schüler, die wegen zu großer Entfernungen auf Busse oder Straßenbahnen angewiesen sind, um in die Schule zu gelangen, sind entschuldigt, wenn keine Busse oder Straßenbahnen fahren. Der Unterricht in den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern findet jedoch statt.« Ratsam sei es, die Schule im Vorfeld zu benachrichtigen, wenn Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten haben, rechtzeitig oder überhaupt zur Schule zu gelangen.

»In der zweiten Verhandlungsrunde wurden die Tarifverhandlungen mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband Mecklenburg-Vorpommern (KAV MV) erneut vertagt. Einen ernsthaften Abschlusswillen haben wir nicht erkennen können, deshalb soll dieser zweite Warnstreik nun den Druck erhöhen«, hatte die Gewerkschaft am Mittwoch mitgeteilt. »Wir hätten die Warnstreiks gerne frühzeitiger bekannt gemacht. Leider hat der KAV das abgelehnt, weil es keine Bereitschaft der Unternehmen gab, gleichzeitig eine Vereinbarung zu treffen, die Ankündigung nicht zu nutzen, um Streikbrecheraktivitäten zu planen, wie in der ersten Warnstreikrunde geschehen«, erklärte Pliete in der Mitteilung.

Am Dienstag kommender Woche steht die dritte Verhandlungsrunde an. Ver.di fordert eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 2,06 Euro pro Stunde rückwirkend zum 1. Januar 2020. Laut Gewerkschaft entspricht dies etwa für die unterste Einkommensgruppe einem Plus von 15 Prozent. Zudem verlangt ver.di einen Angleichungsschritt an andere Tarifgebiete von 100 Euro pro Monat. Der Tarifvertrag soll zwölf Monate laufen. Die ersten beiden Runden blieben jeweils ohne Ergebnis, ein erster Warnstreik am vergangenen Donnerstag vor dem zweiten Verhandlungstreffen zeitigte aus ver.di-Sicht nicht das gewünschte Entgegenkommen der Kommunalen Arbeitgeber.

Die beziffern die Kosten der Gewerkschaftsforderungen auf rund 8,1 Millionen Euro jährlich. Dies sei »wirtschaftlich nicht tragbar«. Laut KAV habe man in der zweiten Verhandlungsrunde das erste Angebot »deutlich verbessert« und »Gehaltssteigerungen von rund sechs Prozent in den nächsten drei Jahren angeboten«. KAV-Verhandlungsführerin Gabriele Axmann erklärte: »Wir fordern die Gewerkschaft auf, die Streiks einzustellen und am Verhandlungstisch zu verhandeln. Ergebnisse werden nicht auf der Straße erzielt.« Auch habe man kein Verständnis dafür, »dass die Gewerkschaft ihre Forderungen auf dem Rücken der Fahrgäste durchsetzen will«. Laut NDR zeigten von denen allerdings - wie auch schon beim ersten Warnstreik - viele Verständnis für die Streikenden.

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