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Zu ländlich, zu alt, zu weiß?

Unter deutschen Handballern gibt es kaum Migranten. Rassismus ist aber kein Grund dafür

  • Michael Wilkening, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.

Immer im Januar kommt das gleiche Thema hoch. Wenn die deutschen Handballer bei einer Großveranstaltung nach einer Medaille streben und die Sportart folglich bundesweit große Aufmerksamkeit genießt, wirft früher oder später jemand die Frage auf, warum in der Nationalmannschaft der Männer so wenige Spieler dabei sind, die einen Migrationshintergrund haben. Daraus wird abgeleitet, dass sich der Handball dem Zuzug verschließt, hier und da wird von verstecktem Rassismus gesprochen. Dabei gibt es klare Argumente, warum in Deutschland bislang verhältnismäßig wenige Handballer mit einem Migrationshintergrund in der Öffentlichkeit stehen.

Im Januar 2020 startete die Debatte früher als sonst. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) strahlte bereits mit Beginn der Europameisterschaft, die das deutsche Team nach dem 26:22-Sieg am Mittwochabend gegen Tschechien nun am kommenden Wochenende mit dem Spiel um Platz fünf abschließen wird, in seinem Format »Sport Inside« einen Beitrag aus mit dem Titel »Handball in Deutschland: Weiß und deutsch wird zum Problem«. Darin werden die Probleme innerhalb des DHB beleuchtet, der einen massiven Mitgliederrückgang verzeichnet. Der deutsche Verband steht mit knapp 750 000 Mitglieder zwar weltweit weiterhin auf Platz eins, verlor in den zurückliegenden 13 Jahren aber knapp 100 000 Mitglieder. Dramatisch ist dabei die Tatsache, dass besonders im Kinder- und Jugendbereich ein starker Rückgang zu verzeichnen ist. Der Beitrag im WDR brachte das in einen direkten Zusammenhang damit, dass sich der DHB zu wenig um Kinder aus Migrantenfamilien bemühe.

»Ich sehe das nicht so«, sagt Mark Schober. Der Vorstandsvorsitzende des DHB kennt die Probleme seines Verbandes im Nachwuchsbereich, leitet sie aber keineswegs aus einer ablehnenden Haltung der Vereine gegen Migranten ab, Rassismus weist er von sich. In dem WDR-Beitrag kommt ein türkischstämmiger Jugendtrainer zu Wort, der die Zustände in den Vereinen beklagt, sich darüber ärgert, dass wenige Migrantenkinder in den Klubs spielen, gleichzeitig aber ablehnt, sich Spiele der deutschen Nationalmannschaft anzusehen, weil dort »nur blonde Köpfe auf dem Feld« herumlaufen. Eine Meinung, die nicht nur bei Rechten im Land viel mehr den Verdacht des Rassismus weckt als die fehlenden Nationalspieler mit einem Migrationshintergrund.

»Wir haben in der Vergangenheit nicht genügend Werbung für unseren Sport gemacht, gerade bei Kindern und Jugendlichen«, räumt DHB-Mann Schober ein. Gleichzeitig verweist er darauf, dass der Verband die Bemühungen zuletzt intensiviert habe. Es gibt Grundschulaktionstage, ein sogenanntes »Star-Training«, das Nationalspieler in Schulen bringt - und es gibt bei fast allen professionellen Handballklubs in Deutschland eine lokale Kooperation mit einer oder mehreren Schulen.

Das Problem des Mitgliederschwundes ist also längst als zentrales innerhalb des DHB wahrgenommen worden. »Wir haben Hauptamtlichkeit geschaffen, um gut und professionell aufgestellt zu sein und diese Themenfelder angehen zu können«, sagt Bob Hanning, Manager der Füchse Berlin und parallel auch ehrenamtlich DHB-Vizepräsident. Der Verband bemüht sich darum, attraktiv für den Nachwuchs zu werden.

Für die Tatsache, dass der Handball in seiner Mitgliederstruktur im Vergleich zur Gesamtgesellschaft weniger Durchmischung mit Migranten aufweist, gibt es drei zentrale Gründe. Der Handball stammt traditionell aus dem ländlichen Raum. Kleinere Städte wie Gummersbach, Minden, Flensburg oder Göppingen waren im Männerhandball lange führend, der Weg in die großen Städte erfolgte erst vor 15 Jahren. Im ländlichen Raum ist der Anteil der Migranten deutlich geringer als im urbanen Umfeld.

Der überwiegende Teil der Migranten in Deutschland stammt aus der Türkei, Italien, Spanien, Griechenland oder dem arabischen Raum - und in diesen Ländern ist Handball unpopulär, in manchen Ländern findet er gar nicht statt. Er spielt daher auch in den Familien eine untergeordnete Rolle, der automatische Zugang der Kinder über den Vater, die Mutter oder ältere Geschwister ist deshalb seltener - selbst über mehrere Generationen hinweg.

Außerdem ist der Handball eine Sportart mit einem höheren Durchschnittsalter. Die Mitglieder im Verband sind überdurchschnittlich alt, die Zuschauer bei den Bundesligaspielen ebenfalls. Das bedeutet, dass die Integration erst zeitversetzt einsetzt und sichtbar werden kann. Auch in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gab es vor 20 Jahren noch viel weniger Nationalspieler mit Migrationshintergrund als heute.

»Wir, der Verband und unsere Vereine sind offen für alle. Sport vereint. Sport ist ideal, um eine neue Gesellschaft kennenzulernen«, sagt Schober. Die Anstrengungen des DHB, mehr Nachwuchs für die eigene Sportart zu begeistern, sind intensiv - und nicht abhängig von der Herkunft oder der Hautfarbe.

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