Werbung

Leistungsträger und steigende Steuern

  • Eva Roth
  • Lesedauer: 2 Min.

In dieser Woche ist er wieder aufgetaucht: der Facharbeiter, der den Spitzensteuersatz zahlt. Also nicht in Fleisch und Blut, sondern als Figur, anhand derer ein Problem verdeutlicht werden soll. »Wir sollten Facharbeiter und Menschen mit mittleren Einkommen aus der Spitzenbesteuerung rausholen«, sagte Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linkspartei, der »Süddeutschen Zeitung«. Schon im Bundestags-Wahlkampf 2017 spielte der Spitzensteuersatz zahlende Facharbeiter eine prominente Rolle; Politiker unterschiedlicher Couleur forderten mit Verweis auf ihn eine Steuerreform. Eine nd-Redakteurin suchte deshalb damals einen echten Menschen, auf den diese Beschreibung zutrifft - vergeblich.

Nun gibt es wenigstens ein paar Zahlen: Auf eine Frage des Abgeordneten Bartsch erklärte die Bundesregierung, dass 2015 insgesamt rund 3,5 Millionen Menschen auf einen Teil ihres Einkommens den Spitzensteuersatz von 42 Prozent entrichtet haben.

Was Bartsch unfair findet: Darunter sind knapp 1,7 Millionen Personen, die ein zu versteuerndes Einkommen von maximal 70 000 Euro pro Kopf und Jahr haben. Bei einem Single entsprach dies zuletzt einem Bruttogehalt von etwa 81 000 Euro, so die Linkspartei, also 6750 Euro im Monat. Menschen mit solchen und geringeren Löhnen sollten laut Linkspartei weniger Steuern entrichten müssen. Bartsch verweist insbesondere auf besagte Spitzensteuersatz zahlende Personen mit »mittlerem Einkommen«, die als »Leistungsträger des Landes« entlastet gehörten.

Hier sind sich Politiker der Linkspartei und der FDP, die ansonsten höchst unterschiedliche Steuervorstellungen haben, also im Prinzip einig: Der Spitzensatz sollte erst ab einem höheren Einkommen greifen. SPD und CDU hatten dies im Wahlkampf ebenfalls gefordert. Es gibt also recht viele Fürsprecher für die Spitzensteuersatz zahlende »arbeitende Mitte«, wie FDP-Chef Lindner formulierte.

Tatsächlich hat sich in den vergangenen Jahren bereits etwas getan: 2015 war der Spitzensatz ab einem zu versteuernden Einkommen von 52 882 Euro fällig, heute gilt er erst ab 57 052 Euro - wohlgemerkt nur für jeden Euro, der über dieser Grenze liegt.

Darum sei hier an eine andere Gruppe erinnert: Die große Mehrheit der 45 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland zahlt nicht den Spitzensatz, weil das Gehalt dafür zu niedrig ist. Darunter sind viele Beschäftigte, die anstrengende Tätigkeiten ausüben, viel leisten und wenig verdienen. Man könnte sie ebenfalls »Leistungsträger« nennen.

Übrigens haben Menschen mit geringen und mittleren Einkünften nach einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW im Jahr 2015 mehr Steuern gezahlt als 1998. Das lag aber nicht an der Einkommensteuer mit ihrem Spitzensatz, sondern an höheren indirekten Steuern wie Mehrwertsteuer und Energiesteuern.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -