- Berlin
- Polizeibeauftragter Berlin
»Kein Grußonkel«
Die rechtliche Grundlage des künftigen Polizeibeauftragten nimmt Gestalt an
Es ist ein »zentrales innenpolitisches Anliegen der rot-rot-grünen Koalition«, heißt es in der Einladung: Am Montag stellten die Regierungsfraktionen im Abgeordnetenhaus das Gesetz für den Polizeibeauftragten vor.
Damit setze man »eine sehr alte Forderung« seiner Partei um, sagt Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion. »Das ist ein wichtiges Signal«, fügt Innenexperte Benedikt Lux (Grüne) hinzu. Am Donnerstag findet die erste Lesung des Gesetzes im Plenum statt, im Frühjahr soll es beschlossen werden. Dann beginnt der Aufbau der Stelle. 2021 soll der oder die Beauftragte loslegen. »Ob wir es zum 1. Januar schaffen, möchte ich nicht versprechen«, zügelt Frank Zimmermann, Innenpolitiksprecher der SPD, die Erwartungen.
Der Polizeibeauftragte, der offiziell auch Bürgerbeauftragter ist, soll das Vertrauen und die Akzeptanz von Verwaltungshandeln stärken - und zwar durch die Erweiterung von Beschwerdemöglichkeiten. »Es ist eine Stelle, die Vertrauen schaffen soll«, so Schrader.
Vorbild der Stelle sind vergleichbare Posten anderer Länder, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz. Dort funktioniere das Konzept gut, meint Zimmermann. In der Verwaltung und nach außen sei der Beauftragte etabliert. Auch in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg habe man sich bereits an Rheinland-Pfalz orientiert. Die Koalition will jedoch darüber noch hinaus gehen. Der »unabhängigste« Beauftragte der Bundesrepublik soll es werden. So soll er in Berlin schon während laufender Verfahren aktiv werden können. Das verhindert einen langwierigen Prozess über Jahre hinweg, der für Beschwerdeführende mühselig und nicht attraktiv ist. Am wichtigsten ist für die Linkspartei aber die Unabhängigkeit der neuen Institution. Laut Schrader hilft das besonders dann, wenn Behörden wie so oft gegen sich selbst ermitteln müssten.
Rot-Rot-Grün rechnet derzeit mit etwa 20 Angestellten, die dem vom Parlament gewählten Bürgerbeauftragten unterstehen werden. »So eine Stelle macht nur Sinn, wenn sie auch das Personal hat«, merkt Schrader an. Sie solle handlungsfähig sein und auch durchgreifen können. »Kein Grußonkel«, wie er betont. Der Beauftragte darf selbst ermitteln, Akten einsehen und Zeugen vernehmen.
Für einen reibungslosen Verlauf sollen ihm Mitarbeiter aus verschiedenen Disziplinen zur Seite gestellt werden. Neben Verwaltungsangestellten und Sachbearbeitern seien auch Juristen und Polizisten gefragt. Dass weiter die Polizei in brenzligen Angelegenheiten - etwa bei Polizeigewalt - gegen sich selbst ermittelt, soll jedoch verhindert werden. Das Wissen um polizeiliche Arbeitsweise kann allerdings auch helfen.
»Wieso soll der Beauftragte nicht auch ein Polizist sein?«, fragt Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei. Wer mit 61 Jahren in Pension gehe, könne solch eine für sieben Jahre gewählte Stelle noch ausfüllen, so Jendro. »Wer soll denn Bürgerrechte schützen, wenn nicht ein Polizist?«
Laut Koalition soll es jedenfalls eine »Ombudsperson« sein, die die Funktionen eines Bürgerbeauftragten und eines Polizeibeauftragten bündelt. Sie solle »für die ganze Berliner Verwaltung verantwortlich sein«, sagt Zimmermann. Damit geht Berlin auch auf die Forderungen internationaler Organisationen ein, die seit mehreren Jahren von Deutschland die Etablierung eines effektiven Systems externer Kontrolle anmahnen.
Schrader rechnet mit Gegenwind, weist aber den Vorwurf zurück, man beschließe da ein »neues Instrument gegen die Polizei«. Und Benedikt Lux argumentiert: »Wir brauchen alle kritischen Stimmen in der Verwaltung.« Das führe nicht zur Diskreditierung der Behörde, sondern zu ihrer Verbesserung. Schrader fügt hinzu, dass sich auch Polizeibeamte vertraulich beim Polizeibeauftragtem melden können. Den Schießstand-Skandal jedenfalls hätte man so deutlich früher erkennen können, sagt Lux. Auch Zimmermann sieht den Vorwurf als unbegründet an. »Dieser Beauftragte ist für die Polizei da.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.