»Das Niveau war katastrophal«

Velimir Petkovic, Handballtrainer der Füchse Berlin, über die EM, Probleme in seinem Verein und die schwierigste Rückrunde seiner Amtszeit

  • Nicolas Sowa
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie haben die Handball-EM mitverfolgt. Was war ihr Eindruck?

Von den letzten Spielen war ich richtig enttäuscht, das Niveau war katastrophal. Ein paar Mal wollte ich schon ausschalten. Es ist einfach zu viel, und die Jungs sind kaputt und richtig müde.

Ist Ihnen bei diesem Turnier etwas besonders aufgefallen?

Immer mehr wird von den Spielern lamentiert und immer häufiger wird der Videobeweis gefordert. Einige Nationen sind zudem, was Körperkontakt und Härte betrifft, über die Grenzen hinausgegangen. Das ist ein Riesenproblem, auch für die Schiedsrichter. Jeder geht anders mit den Regeln um. Als Trainer und Spieler weißt du nicht: Wie weit darfst du gehen?

Was hat Sie bei der EM überrascht?

Frankreich und Dänemark sind früh raus, auch der Auftritt von Serbien war enttäuschend. Positiv überrascht hat mich Portugal. Wir haben in den letzten zwei Jahren ja gegen Porto gespielt - da konnten wir schon sehen, wie stark sie in den letzten Jahren geworden sind.

Bekommen Sie mit Hans Lindberg, Jacob Holm, Mijajlo Marsenic und Paul Drux nun vier frustrierte Füchse zurück von der EM?

Diesen Eindruck hatte ich nicht. Nur bei Marsenic war es schlimm, weil es richtige Probleme in der serbischen Mannschaft gab. Probleme mit dem Verband, Probleme mit dem Trainer.

Die Vorbereitungszeit auf das erste Bundesligaspiel am Sonntag gegen Balingen ist kurz. Zudem ist das Lazarett wieder stark gefüllt.

Ich hatte mit Mattias Zachrisson gerechnet und habe nicht damit gerechnet, dass Fabian Wiede so lange ausfallen wird. Die beiden Torhüter Silvio Heinevetter und Dejan Milosavljev konnten immer noch nicht wieder trainieren. Wichtige Leute sind weg, das ist schon sehr frustrierend.

Hätten Sie gerne Ersatz für Simon Ernst, Fabian Wiede oder Mattias Zachrisson gehabt?

Ich habe gehofft, das wir was holen. Und in einem Gespräch mit Bob Hanning hieß es zunächst auch, wir suchen was. Aber dann habe ich in einem Interview mit ihm gelesen, dass es keinen Ersatz geben wird.

Sind so die angestrebten Ziele mit Erreichen eines internationalen Platzes und dem Final Four im EHF-Pokal überhaupt möglich?

Das wird sehr schwer. Ich glaube, das wird die schwierigste Rückrunde, seitdem ich hier Trainer bin. Das bereitet mir im Moment viele schlaflose Nächte. Wir wollen diese Ziele aber nicht begraben.

Ab nächsten Sommer übernimmt Jaron Siewert als Trainer die Füchse. Für Sie ist es also die letzte Rückrunde. Kann man das bevorstehende Ende einfach ausblenden?

Ich bin so Profi und beschäftigt mit dem, was jetzt kommt, dass ich nicht ans Ende denke. Ich wünsche mir von allen bei den Füchsen, dass sie ein bisschen diese Einstellung haben.

Können Sie das halbe Jahr jetzt noch genießen?

Natürlich. Jeder Sieg ist für mich eine große Freude, und wir werden alles tun. Tränen zum Abschied wird es bei mir aber nicht geben. Ich bin ja nicht enttäuscht. Dass Siewert irgendwann als Trainer kommen wird, war ja schon lange klar.

Haben Sie sich schon Gedanken über das Leben danach gemacht?

Ich bin noch absolut ehrgeizig und möchte weiter als Trainer arbeiten. Wenn ich ein Angebot aus Spanien, Portugal oder Kuwait bekomme, werde ich nicht Nein sagen. Es gab bereits Anfragen, aber noch keine konkreten Angebote. Ich bin ruhig und locker, was das anbelangt.

Kann man Gelassenheit lernen?

Ich bin seit 21 Jahren in der Bundesliga, und ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, was in zwei Monaten passiert. Irgendwas muss bei mir ja anders sein, denn wer ist schon so lange im Geschäft geblieben wie ich?

Was nehmen Sie aus ihrer bisherigen Trainerkarriere mit?

Es gibt sicherlich Spieler, die negativ über mich reden, aber ich wollte nie bei jedem beliebt sein. Egal, wohin ich in Europa komme, ich bin immer willkommen und habe Ex-Spieler, die mich herzlich empfangen. Das ist mein Stolz und gibt mir positive Gefühle.

Gab es auch Pläne, in irgendeiner Form bei den Füchsen zu bleiben?

Das war ein Thema in den letzten Monaten. Aber in letzter Zeit hat niemand mehr darüber gesprochen. Meine Familie und meine Wohnung bleibt in Berlin, das ist sicher. Wenn der Verein Hilfe braucht, bin ich da. Aber ich glaube, die haben andere Gedanken. dpa/nd

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