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Indymedia Linksunten bleibt verboten
Rechtsanwalt kündigt Beschwerde in Karlsruhe wegen Klageabweisung an
Unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen hat am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Verhandlung zum Verbot der linken Internetplattform »Linksunten.Indymedia« begonnen. Der Vorplatz des Gerichts war am Mittwoch mit Gittern abgesperrt, die Polizei mit etlichen Einsatzwagen rund um das Gebäude präsent. Am Einlass mussten Besucher eine Sicherheitsschleuse passieren. Es gab deutlich mehr Interessierte als Plätze im Saal des obersten deutschen Verwaltungsgerichtes. Die Richter sollten entscheiden, ob das Vereinsverbot gegen das Internetportal rechtens ist. Das Bundesinnenministerium hatte es im August 2017 nach Krawallen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg erlassen. Auf der Plattform sei zu linksextremistischen Straftaten aufgerufen worden, hieß es zur Begründung.
Die Brisanz des Gerichtstermins ist offenkundig: »Das Verfahren ist von zentraler Bedeutung für die zukünftige Freiheit der Medien«, schrieb etwa die Gesellschaft für Freiheitsrechte im Vorfeld der Verhandlung. Das Vorgehen des Bundesinnenministeriums gegen die Internetplattform sei ein »Prüfstein« für den Umgang des Staates mit Medienangeboten, so die Gesellschaft weiter.
Die Beschuldigten, die nicht selbst vor Ort waren, sollen als vermeintliche Betreiber der Webseite den Verein »Linksunten.Indymedia« gebildet haben. Nur durch die Konstruktion eines Vereins konnte der Innenminister das Verbot der Webseite auf das Vereinsgesetz stützen. Das war nun auch der Knackpunkt der Verhandlung: Sind die Freiburger Beschwerdeführer überhaupt klageberechtigt? Nach bisheriger Rechtsprechung können nur die verbotenen Vereine selbst gegen ihre Auflösung klagen, nicht aber Einzelpersonen. Sie können also nur klagen, wenn sie sich als Mitglieder des Vereines darstellen. Dann bestünde laut Anwältin Angela Furmaniak aber die Gefahr, dass ihre Mandanten deswegen strafrechtlich verfolgt werden. Ein rechtliches Dilemma. Es ist problematisch, wenn es keine Möglichkeit gibt, zu klagen, ohne dabei selbst in den Fokus der Strafverfolgung zu kommen.
Lesen Sie hier: Bewegungsgeschichte dokumentiert. Unbekannte stellen ein Archiv der 2017 verbotenen Indymedia-linksunten-Webseite mit einer Million Dateien online.
Neben diesen von Juristen und Juristinnen wohl durchaus als »interessant« geadelten Rechtsproblemen heizte eine Demonstration im Vorfeld des mündlichen Verfahrens das Interesse an dem Prozess an. Es war nicht die erste Nacht dieser Art in Leipzig. Aber sie fand unter besonderen Voraussetzungen statt. Die Krawalle um die Silvesternacht und der polizeikritische Nachhall veranlassten die Leipziger Beamten, besonders defensiv vorzugehen. So lief man nicht mit dem üblichen Polizeispalier neben der Demonstration her. Zwar hatte man martialisches Gerät aufgefahren, beließ dies aber außer Sichtweite der Veranstaltung.
Leipzig: Polizeigroßeinsatz an Tag (((i)))
Demonstration gegen »Linksunten.Indymedia«-Verbot vor dem Bundesverwaltungsgericht
Umso martialischer trat die andere Seite auf. Zuerst brannte man Rauchtöpfe und bengalische Lichter ab. Solch Bohei sah zwar gefährlich aus, war es aber eigentlich nicht. Das wurde es erst, als Vermummte am Südplatz in einer Seitenstraße die Polizei angriffen. Das taten sie geplant, vorsätzlich und gegen den erklärten Willen eines Großteils der Demonstranten. Jetzt fordern viele Linke in Leipzig, man sollte aufarbeiten, was passiert ist.
Aber was soll das heißen, aufarbeiten? Es gab sichtlich verschiedene Ansprüche an die Demonstration. Dass der Protest zum Sonnenuntergang startete, ließ schon erahnen, wo es hinging. Es hätte dabei anders verlaufen können. Als der »Welt«-Korrespondent Deniz Yücel bei der Kundgebung ankam, schwenkten die Kameras auf ihn. Er war als Reporter gekommen. Doch viele Pressekollegen dachten, der lange in der Türkei inhaftierte Journalist sei anwesend, um sich mit der Kundgebung für Indymedia zu solidarisieren.
Man hatte ihn im Vorfeld der Demonstration gar nicht gefragt. Genauso wenig Organisationen wie Amnesty International oder »Reporter ohne Grenzen«. Der Geschäftsführer letzterer Organisation, Christian Mihr, sieht in dem Verbot der Plattform dabei einen Angriff auf die Pressefreiheit. »Pressefreiheit gilt auch für unbequeme, ja selbst für schwer erträgliche Veröffentlichungen«, hatte er 2017 gesagt. Mit solchen Unterstützern hätte man eine bunte Demonstration organisieren können. Stattdessen wurde es schwarz in der Nacht vom 25. Januar in Leipzig.
Der Nachhall der Krawalle reichte nicht bis in den Gerichtssaal. Weder die Richter noch die Vertreter des Bundesinnenministeriums bezogen sich auf die Demonstration vom Samstag. Trotzdem wies das Gericht die Klage am Ende ab. Sie sei zwar »zulässig, aber nicht begründet«, so die knappe Begründung der Richter nach mehrstündiger Beratung. Das Bundesverwaltungsgericht hätte entschieden, dass Linksunten.Indymedia ein Verein ist, der eine linke Gegenöffentlichkeit herstellen wolle, so eine Gerichtssprecherin gegenüber »nd«. Des Weiteren hätte man entschieden, dass nur der Verein selber gegen das Vereinsverbot klagen könne. »Eine vollständige Überprüfung des Vereinsverbots kann nur der Verein selbst erreichen«, sagte der Vorsitzende Richter des 6. Senats, Ingo Kraft, in der Urteilsbegründung.
»Das Urteil sei hochgradig problematisch. Es ist gefährlich«, sagte Rechtsanwältin und Klägerin Angela Furmaniak. Man könne so beliebige Onlinemedien verbieten. Kein Gericht könne das Handeln des Bundesinnenministerium überprüfen, so Furmaniak weiter.
Aufgrund der Klageabweisung und insbesondere der ausbleibenden inhaltlichen Auseinandersetzung des Bundesverwaltungsgerichtes mit den Verbotsgründen kündigte der Rechtsanwalt und Klageführer Sven Adam gegenüber »nd« an, Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einzulegen. So wolle man das Verbot »einer grundrechtlichen Prüfung im Licht der Presse- und Meinungsfreiheit unterziehen«, so Adam weiter.
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