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Vietnam mit Corona-Angst infiziert
Sieben Menschen am Virus erkrankt / Regierung in sozialen Netzwerken unter Druck
In Vietnam sind nach offiziellen Angaben bis zum Wochenende sieben Menschen an dem neuartigen Coronavirus erkrankt. Einer der Männer wurde bereits aus dem Krankenhaus entlassen, die anderen weisen schwere Symptome auf. Darüber hinaus gibt es in Chinas südlichem Nachbarland über 100 Verdachtsfälle. Mehrere Personen wurden unter Quarantäne genommen, andere in Krankenhäusern behandelt.
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Beobachter gehen allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus. Das liegt daran, dass viele Vietnamesen eigentlich nur zum Arzt gehen, wenn es gar nicht anders geht. Man beißt die Zähne zusammen, zeigt keine Schwächen und will seine Familie auch nicht mit einer hohen Arztrechnung belasten. Zahlreiche Vietnamesen aus Deutschland waren während der Feiertage zum traditionellen Neujahrsfest in Vietnam und kehren in diesen Tagen nach Deutschland zurück. Ihre Landsleute in Deutschland trauen den offiziellen Zahlen aus Hanoi nicht und gehen zu den Rückkehrern gern auf Abstand. Man kann nie wissen. Gegenüber »nd« sprechen auch mehrere Berliner Vietnamesen von Stornierungen von geplanten Reisen nach Vietnam.
Gleichwohl nimmt die Regierung in Hanoi die Bekämpfung von Corona sehr ernst. Die Fäden laufen bei Premierminister Nguyen Xuan Phuc persönlich zusammen. Er erklärte, Maßnahmen gegen den Virus würden auch dann ergriffen, wenn sie sich negativ auf die Wirtschaft auswirkten. Wichtigstes Anliegen ist ihm die Aufklärung der Bevölkerung und der lokalen Behörden über die Gefahren des Virus. Die Universitäten haben ihre Neujahrsferien verlängert und wollen damit verhindern, dass junge Menschen aus den Provinzen in die Großstädte kommen, wo sich der Virus schneller verbreiten kann. Bei Bedarf behalte es sich die Regierung in Hanoi vor, Sportveranstaltungen, Konferenzen, Feste und andere Ereignisse mit großen Menschenansammlungen zu unterbinden, hieß es am Donnerstag. Auch die Schließung der Schulen wurde in einigen Provinzen veranlasst. Mundschutzmasken sind in Vietnam bereits Mangelware, sie werden zu hohen Preisen verkauft.
Am Samstag hat Vietnam alle Flüge von und nach China gestrichen. Anders als Chinas nördliche Nachbarn Russland, Mongolei und sogar Nordkorea hat Vietnam allerdings die Grenzen zu China nicht generell geschlossen. Dieser Schritt ist in den sozialen Netzwerken äußerst umstritten, die Regierung wird dort mit scharfen Worten zur Grenzschließung aufgefordert. Da Vietnam ein Einparteienstaat ohne Oppositionsparteien ist und auch die Medien staatlich kontrolliert werden, sind die sozialen Netzwerke der wohl wichtigste Ort, wo politische Debatten ausgetragen werden.
Außenminister Pham Binh Minh antwortete auf die Kritik, Vietnam dürfe wegen eines bilateralen Abkommens mit China seine Staatsgrenze zu China nur schließen, wenn China dem zustimme. Es blieb nebulös, ob die Zustimmung nicht erteilt wurde oder ob Vietnam nicht angefragt hatte. Diese Äußerung stieß in den sozialen Netzwerken erneut auf Kritik. Hier trifft sich die Angst vor der Seuche mit jahrhundertealten antichinesischen Ressentiments in großen Teilen der vietnamesischen Bevölkerung sowie mit der Sorge, das eigene Land mache sich von China abhängig.
Rund 30 Prozent der zehn Millionen Touristen in Vietnam kommen aus China. Dazu sind in Vietnam zahlreiche Arbeitskräfte aus dem nördlichen Nachbarstaat tätig, hauptsächlich im Tourismus und in von Chinesen betriebenen Fabriken. Viele dieser Arbeitskräfte haben die Neujahrsferien in China verbracht und kehren in diesen Tagen nach Vietnam zurück. Die Regierung in Hanoi will jene, die aus den besonders vom Virus betroffenen chinesischen Provinzen kommen, unter Quarantäne stellen. Sie strebt zudem die Einstellung touristischer Reisen in die Provinzen mit besonders vielen Corona-Virus-Patienten an.
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