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Tausende feierten in London den Brexit
Party vor dem britischen Parlament mit Farage / Premier Johnson ruft zu »nationaler Erneuerung« auf
Als Großbritannien am Freitagabend um 23.00 Uhr Ortszeit die Europäische Union verlässt, erinnert die Szenerie an die Feierlichkeiten beim Berliner Mauerfall 1989. Doch statt einer geeinten Nation in einem zusammenwachsenden Europa hinterlässt dieser Moment ein gespaltenes Land und eine Europäische Union, die um einiges ärmer geworden ist.
Tausende Menschen haben sich auf dem Parlamentsvorplatz im Londoner Regierungsviertel versammelt, um dem historischen Augenblick beizuwohnen. Viele sind aus anderen Landesteilen angereist, viele halten den Union Jack in die Höhe. »Lasst uns heute Nacht feiern, wie wir noch nie zuvor gefeiert haben«, ruft ihnen Ober-Brexiteer Nigel Farage von der Bühne aus zu. Als der Countdown auf 0 springt, ertönt über dem Parlamentsvorplatz Big Ben - allerdings nur eine Aufnahme, denn die richtige Glocke hat wegen Renovierungsarbeiten derzeit keinen Klöppel. Aus Tausenden Kehlen erschallt die Nationalhymne »God save the Queen«, deren Text zur Sicherheit auf einem großen Bildschirm angezeigt wird.
An diesem Abend gehört der Parlamentsplatz den Brexiteers fast allein. Die wenigen in EU-Farben gekleideten Gegendemonstranten, die sich im Laufe des Tages auf den Platz trauten, wurden mit »Shame on you!«-Rufen (Schande über euch) vertrieben. So müssen sich die Brexiteers den Platz nur mit Anhängern einer religiösen Sekte teilen, die die Menschen zur Umkehr aufruft - und Teilnehmern einer Fahrraddemo, die sich auf eine Nebenstraße verirrt haben und nicht mehr durchkommen.
Einer dieser Radfahrer ist ein Ire, der den Vergleich mit dem Mauerfall bringt: Als 19-Jähriger will er auch dort live dabei gewesen sein. Der Moment vor 30 Jahren sei aber viel bewegender gewesen, die Menschen fröhlicher und freundlicher. Es könne aber auch daran liegen, dass er damals viel Marihuana geraucht habe, räumt er ein.
In seiner Fernsehansprache kurz vor dem Brexit, in der er kein einziges Mal das Wort »Brexit« in den Mund nahm, hat der britische Premierminister Boris Johnson zur »nationalen Erneuerung« aufgerufen. Was das für einige seiner Anhänger heißt, tragen sie auf dem Parlamentsplatz auf Kappen zur Schau: »Make Britain Great Again« (Macht Britannien wieder groß) steht darauf in Anspielung auf den Wahlslogan von Johnsons Unterstützer US-Präsident Donald Trump. Ähnlich wie Trump in den USA polarisiert, hat Johnson mit seinem rigorosen Brexit-Kurs Großbritannien in eine tiefe Spaltung geführt. Um die Hälfte der Bevölkerung, die gegen den EU-Austritt gestimmt hat, nicht zu sehr zu verärgern, feiert der Premier hinter verschlossenen Türen.
Den EU-Befürwortern bleibt an diesem Abend nur ein kleiner symbolischer Triumph: Die Schlacht um die britischen Charts haben sie für sich entschieden. Die ganze Woche über hatten sie Aufnahmen der EU-Hymne »Ode an die Freude« gekauft und es tatsächlich geschafft, die Brexit-Hymne »17 Million Fuck Offs« (17 Millionen Verpiss Dichs) auf die hinteren Plätze zu verweisen. AFP/nd
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