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Ein Schritt zu viel beim Aufrüsten
Trump hebt Einsatzverbot von Landminen für das US-Militär auf. Experten sehen darin »historischen Rückschlag«
Nachdem ein Reporter der Onlineplattform vox.com bereits am Donnerstag die beabsichtigte Reaktivierung von Anti-Personen-Minen, also Tretminen, auf Twitter öffentlich gemacht hatte, bestätigte das Weiße Haus diesen Beschluss: »Der Präsident hat die Entscheidung der Obama-Regierung aufgehoben, die US-Militärs den Einsatz von Anti-Personen-Minen außerhalb der koreanischen Halbinsel verbietet«, sagte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Stephanie Grisham.
Obamas Selbstverpflichtung war die Annäherung der USA an den sogenannten Ottawa-Vertrag von 1997 gewesen. Das Übereinkommen verbietet den Erwerb, die Herstellung, die Lagerung und den Einsatz von Anti-Personen-Minen. Zudem regelt es Grundlagen zur Räumung verseuchter Regionen sowie die Unterstützung der von den Waffen bedrohten Menschen. Der Vertrag trat 1999 in Kraft. Die USA haben ihn jedoch ebenso wie Ägypten, China, Indien, Iran, Israel, die beiden Koreas, Pakistan, Russland, Saudi-Arabien und Syrien nicht unterzeichnet.
Die Administration vor Trump hatte zwar verfügt, dass die USA keine Landminen mehr produzieren, verkaufen oder selbst einsetzen sollen. Doch der Demokrat Obama versäumte es wohlweislich, alle in den US-Depots lagernden Minen vernichten zu lassen. 2011 wurden lediglich 1,3 Millionen Landminen zerstört, die sich nicht deaktivieren oder aus der Ferne zerstören lassen. Experten behaupten, dass daher immer noch rund drei Millionen der unterschiedslos tötenden und damit extrem gefährlichen US-Kriegswaffen einsatzbereit sind.
Und genau die meinen Trumps Militärfachleute, wenn sie davon reden, dass US-Kommandeure nur in »außergewöhnlichen Umständen fortschrittliche, nicht permanente Landminen« einsetzen dürfen. Das US-Militär gehe das Thema mit »großer Sorgfalt« an, behauptet auch Verteidigungsminister Mark Esper und erklärte, Landminen seien »neben vielen anderen ein wichtiges Werkzeug, das unseren Kommandeuren auf dem Schlachtfeld zur Verfügung stehen muss«.
Warum die US-Regierung nun den Einsatz von Tretminen wieder ermöglicht, ist nicht klar. Laut dem Nachrichtensender CNN ist die Entscheidung eine Folge einer internen Neubewertung durch das Pentagon. Eine militärische Studie habe ergeben, dass der Verzicht auf Landminen den Erfolg militärischer Missionen gefährden könne.
US-Militärexperten vermuten hinter der Entscheidung die größer werdende Besorgnis, dass es zu einem Konflikt mit einem »Großmacht«-Gegner wie Russland oder China kommen könnte. Allein die Möglichkeit, dass man solche Minen wieder einsetzen könnte, würde abschreckend wirken.
Anti-Personen-Minen sind kostengünstig zu produzieren und leicht zu verstecken. Die Suche nach ihnen und deren Räumung hingegen sind ebenso gefährlich wie langwierig und teuer. Zu den am meisten belasteten Ländern gehören Afghanistan, Angola, Ägypten, Bosnien und Herzegowina, Laos, Kongo, Kambodscha, Kolumbien, Kroatien, Vietnam, aber auch Regionen wie Bergkarabach, Tschetschenien und die Falklandinseln.
Die genaue Anzahl verlegter Minen kennt niemand. Vor dem Verbot schätzten die Vereinten Nationen, dass rund 110 Millionen Sprengfallen in über 70 Ländern verlegt wurden. Das US-Außenministerium reduzierte die Schätzung damals um 40 Millionen.
Doch letztlich ist die Anzahl höchstens relevant beim Kräfteeinsatz für die Minenräumung. Damit befasste Experten betonen: Ein vermintes Feld ist gefährlich, egal ob dort 100 oder »nur« zehn Minen vergraben sind.
Laut der Nichtregierungsorganisation »Landmine and Cluster Munition Monitor« starben zwischen 1998 und 2018 mehr als 130 000 Menschen durch diese heimtückischen Waffen. Auch die Organisation Handicap International (HI) prangert die US-Entscheidung als einen »historischen Rückschlag« für den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten an. »Die künftige Landminenpolitik von Trump kann zum Todesurteil für unschuldige Menschen werden«, betonte Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von HI.
Ihre Organisation ist eines der sechs Gründungsmitglieder der Internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen, die 1997 den Friedensnobelpreis erhielt. Fischer warnt: Die Vorstellung, dass sogenannte »fortgeschrittene« Landminen sicherer sind als ältere Typen, »ist absurd«. »Unsere Teams sehen aus erster Hand, wie Waffen, die oft als ›selbstzerstörend‹ vermarktet werden, täglich Zivilisten auf der ganzen Welt verletzen, verstümmeln und terrorisieren.«
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