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Urteile zur Arzt-und Arbeitgeberhaftung
Wie detailliert müssen Kläger in einem Arzthaftungsprozess Mängel darlegen / Muss eine Taxifahrt zur Praxis übernommen werden
Der Fall landete bei Bundesgerichtshof. Der urteilte mit Beschluss vom 25. Juni 2019 (Az. VI ZR 12/17): Das OLG habe die Anforderungen an den Klagevortrag im Arzthaftungsprozess überspannt.
Der Fall: Der Hausarzt hatte den Patienten mit Spritzen gegen Hüftschmerzen behandelt. Als der Mann danach über Bauchschmerzen klagte, wies ihn der Hausarzt ins Krankenhaus ein. Hier fahndeten die Mediziner zunächst vergeblich nach deren Ursache.
Wegen Verdachts auf Lungenentzündung und Harnwegsinfekt wurde der Patient schließlich auf der Intensivstation behandelt. Während man ihn in ein künstliches Koma versetzte, stellte das Labor in seinen Blutkulturen Pilze und bakterielle Entzündungen fest: Staphylococcus aureus und viele andere Bakterien fanden sich da.
Nach zwei Monaten in der Klinik starb der Patient. Vom Klinikbetreiber verlangte die Witwe Entschädigung und warf ihm Verstöße gegen die Hygiene vor: Auch wenn sich ihr Mann vermutlich schon durch die Spritzen mit Bakterien infiziert habe - ohne Hygienemängel in der Klinik hätte er sich dort nicht zusätzlich eine Vielzahl aggressiver Keime zugezogen. Die so ausgelösten Entzündungen hätten zu seinem Tod beigetragen.
Das Urteil: Grundsätzlich müsse die Patientenseite - in diesem Fall die Witwe - im Prozess Umstände anführen, die die Vermutung erlaubten, dass sich ein Arzt bzw. eine Klinik fehlerhaft verhalten hätten, so der Bundesgerichtshof. Mehr könne man nicht erwarten. Patienten und ihre Angehörigen hätten keine genaue Kenntnis medizinischer Vorgänge. Ihnen fehle das Fachwissen, um den Konfliktstoff zu erfassen und aufzuklären. Sie seien auch nicht verpflichtet, sich für den Prozess dieses Fachwissen anzueignen.
Dagegen wisse der Prozessgegner über alle wesentlichen Tatsachen Bescheid und sei in der Lage, den Sachverhalt aufzuklären. Die Klinikleitung kenne die möglichen Infektionsquellen (verunreinigte Instrumente, andere Patienten etc.) und wisse, was sie zur Vorbeugung unternommen habe. Sie hätte also, um den Vorwurf der Witwe zu entkräften, konkret zu ihren Hygienemaßnahmen und vor allem zum Infektionsschutz auf der Intensivstation vortragen müssen.
Das bedeute: Die Klinik müsse Desinfektions- und Reinigungspläne vorlegen, ebenso Bestimmungen des Hygieneplans und einschlägige Hausanordnungen. Mit dieser Leitlinie verwies der BGH den Rechtsstreit ans OLG zurück.
Mit dem Taxi zur Physiotherapiepraxis?
Beamte haben keinen Anspruch auf Beihilfe für Fahrten zu ambulanten Behandlungen.
Ein Landesbeamter war an der Hüfte operiert worden. Nach dem Aufenthalt im Krankenhaus wurde er von einem Physiotherapeuten ambulant behandelt. Der Orthopäde der Klinik hatte bestätigt, dass der Patient für die Fahrten zwischen Wohnung und Physiopraxis ein Taxi benötige. Im Laufe der Wochen entstanden Taxikosten von insgesamt 1743 Euro.
Bei seinem Dienstherrn, dem Bundesland Rheinland-Pfalz, beantragte der Mann, man möge ihm die Hälfte der Kosten erstatten. Das wurde, abgesehen von einem Betrag von 100 Euro, abgelehnt. Nach der Beihilfenverordnung würden Fahrten zu ambulanten Maßnahmen nicht finanziert, so die Beihilfestelle. Nur Kosten für »nachstationäre«Behandlungen würden übernommen.
Der Beamte klagte gegen diesen Bescheid. Seiner Ansicht nach war die Physiotherapie ganz offenkundig eine »nachstationäre Behandlung«, weil sie direkt mit der Hüftoperation im Krankenhaus zusammenhing. Zudem habe er dem Dienstherrn Kosten erspart, weil er sich für eine ambulante Physiotherapie entschieden habe, statt diese in der Klinik zu absolvieren. Dafür könne man ihn jetzt nicht finanziell abstrafen.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 14. Juni 2019 (Az. 5 K 1067/18.KO) bestätigte: Eine ambulante Physiotherapie stelle keine nachstationäre Behandlung dar. Damit seien in den einschlägigen Vorschriften nur Behandlungen gemeint, die - »im Anschluss an eine vollstationäre Unterbringung« im Krankenhaus - ebenfalls im Krankenhaus durchgeführt werden.
Dass der Dienstherr für Fahrten zu ambulanten Maßnahmen grundsätzlich keine Beihilfe gewähre, verstoße auch nicht gegen seine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten. Er sei nicht verpflichtet, lückenlos alle Arten von Gesundheitsausgaben zu erstatten. OnlineUrteile.de
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