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Polizeikongress oder Waffenmesse?

Seehofer verteidigt Grenzkontrollen / Kritik an Präsenz von Rüstungsunternehmen

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Dienstag begann der zweitägige Europäische Polizeikongress unter dem Motto »Rechtsstaat Durchsetzen« in Berlin. Eines der Kernthemen, das Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in seiner Eröffnungsrede setzte, ist die Asyl- und Grenzpolitik. National wie international solle mehr für die Sicherung der Grenzen getan werden. »Einige Hundert Personen, die mit einer Einreisesperre belegt waren, und das Doppelte an Menschen, die mit Haftbefehl gesucht werden«, seien den Beamten an der Grenze ins Netz gegangen. Dies sei eine Größenordnung, »die glaubt man gar nicht«, sagte Seehofer.

Das Thema Sicherheit solle zentraler Punkt der EU-Ratspräsidentschaft werden, die Deutschland ab Juli innehaben wird. Seehofer kündigte zudem deutsche Unterstützung für den Versuch an, die Aufstockung der EU-Grenzschutzbehörde Frontex zu beschleunigen. Die geplante Aufstockung um 10 000 Mitarbeiter bis 2027 sei ein »furchtbar weit entferntes Datum«. Dass es eine gemeinsame europäische Asylpolitik geben müsse, räumt auch Ulla Jelpke (LINKE) ein, forderte aber »nicht immer perfidere Formen der Grenzüberwachung, sondern ein gemeinsames System der Flüchtlingsaufnahme ist das Gebot einer humanitären Flüchtlingspolitik«.

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) warnte anlässlich der Eröffnung, es müsse mehr im Bereich der Cyberkriminalität getan werden. Erst kürzlich wurde das Kammergericht Tiergarten Opfer eines Virenbefalls, der jedoch nicht nur auf kriminelle Aktivitäten, sondern auch auf veraltete Software zurückzuführen war. Experten hatten schon Jahre vor dem erfolgreichen Datenabgriff die Nutzung der veralteten Software kritisiert. Im privaten Bereich seien Bürger*innen unter anderem bei Identitätsdiebstahl und Kontenausspähung zunehmende Gefahren ausgesetzt, hob Geisel im rbb-Interview hervor.

Für mehr und besser organisierte Videoüberwachung sprach sich der Chef des Bundeskriminalamtes Holger Münch aus. Polizeien stießen bei der bundesländerübergreifenden Fahndung an ihre Grenzen. »In anderen Ländern in Europa ist man durch zentrale Speicherung öffentlicher Videoüberwachung viel schneller und effizienter«, mahnte Münch.

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Die Bedrohungsszenarien, die auf dem Polizeikongress Thema sind, treffen auch auf Kritik. »Der sogenannte Polizeikongress ist eigentlich eine Verkaufsmesse für Repressionsartikel, im Vorprogramm laufen Vorträge von Behördenchefs und Politikern. Firmen können sich Redezeit kaufen und politisch äußern. Natürlich geht es dabei um Profit«, sagte Autor und Bürgerrechtler Matthias Monroy dem »nd«. »Anbieter wie Cognitech, Cellebrite oder Airbus haben ein Interesse daran, wenn sich Widersprüche in der Gesellschaft zuspitzen und die innere Sicherheit eskaliert.« Auf diese Weise könnten sie ihre Produkte verkaufen. So sei es auch zu erklären, »dass auf der Kongressmesse so getan wird, als sei der Rechtsstaat nicht mehr existent«. Monroy trat auch als Experte auf dem Gegenkongress auf, der unter dem Motto »Entsichern« am Wochenende in Kreuzberg stattgefunden hat und »die Vernetzung politischer und polizeilicher Entscheidungsträger*innen mit direktem Zugriff auf die Innovationen der Kriegs- und Überwachungsarchitektur« kritisierte. Agenturen/nd

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