Theater um den Opernball

Frey zieht die Notbremse und erkennt dem ägyptischen Präsidenten den Orden wieder ab

  • Simona Block, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Dresden. Eine skandalöse Ehrung, brüskierte Partner, Absagen: Der Dresdner Semperopernball 2020 ist in aller Munde, aber ganz anders als gedacht. Die Macher, ein privater Verein um den umtriebigen Kulturmanager Hans-Joachim Frey, bemühen sich um Schadensbegrenzung. Die Preisverleihung im Vorfeld an Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der gegen Kritiker und Oppositionelle hart vorgeht, überschattet die 15. Auflage am Freitag. Nun zieht Frey die Notbremse, um das Programm zu retten.

Mit der Übergabe des St.-Georgs-Ordens in Kairo hat Frey den Bogen überspannt und das Ereignis zum Politikum gemacht. Noch nach der Rückkehr vom Nil hat er die Auszeichnung trotzig verteidigt, der Verein habe »Kulturbrücken bauen« wollen. Nun musste er sich dem Druck beugen: Al-Sisi wird der Orden wieder aberkannt. Dem voraus ging am Dienstag ein Treffen mit Rocksänger Peter Maffay, dem die Entschuldigung des Ballvereins nicht reichte.

Es war nicht der erste Eklat mit dem Orden, einer Nachbildung des barocken Anhängers mit dem Heiligen Georg als Drachentöter. Schon 2009 hatte Frey mit der Auswahl des russischen Präsidenten Wladimir Putin für Misstöne gesorgt.

Frey, der die bis 1939 gepflegte Tradition als Direktor an der Sächsischen Staatsoper 2006 wiederbelebte, sah den Ball in internationalen Sphären angelangt. Sein Ziel: mehr Internationalität und Glamour wie Wien. Ein Orden garantierte Promis. Das kommt nun auf den Prüfstand.

Der Semperoper-Intendant erklärte seine ausdrückliche Missbilligung und betonte, dass das Haus »als führende Kulturinstitution stets Stellung für Frieden, Toleranz und Menschenrechte bezieht«, der Oberbürgermeister prüfte kritisch seine Ballteilnahme, Medienpartner distanzierten sich, Moderator Roland Kaiser gar »mit allergrößtem Nachdruck«. Die Vergabe des Ordens an Al-Sisi »widerspricht allem, wofür ich als Künstler und als Mensch stehe«, schrieb er auf Facebook. »Tagesschau«-Sprecherin Judith Rakers löste ihren Vertrag als Co-Moderatorin; auch Stadt, Oper und MDR kündigten Konsequenzen an. Frey streute Asche auf sein Haupt: »Die Verleihung war ein Fehler.« Die »Irritationen« würden von Herzen bedauert, man wolle über das Selbstverständnis als Kulturbotschafter nachdenken. Um weiter wie üblich zu schwärmen von »einem wunderbaren Fest« - als wäre nichts gewesen.

Die Wogen aber glätteten sich nicht. Auch Mareile Höppner, die aus dem Hut gezauberte neue Dame an der Seite von Kaiser, zog zurück, weil sie nach eigenen Angaben angefeindet und bedroht wurde. Die Absagen von SAP-Gründer Dietmar Hopp als Preisträger und Fußballmanager Uli Hoeneß als Laudator läuteten das Ende für den St.-Georgs-Orden ein - zumindest für 2020. Auch Model Eva Padberg sagt ab. »Ich habe mich als Botschafterin für UNICEF sehr auf den Semperopernball gefreut«, schrieb sie. Sie habe über wichtige Projekte sprechen wollen, um Kindern weltweit zu helfen, aber den Eindruck gewonnen, dass das Anliegen durch die Diskussionen rund um den Ball in den Hintergrund rückt, erklärte sie. Deshalb werde sie am Freitag nicht da sein.

»Ein Ball ohne Preis würde der rauschenden Nacht keinen Abbruch tun«, sagt Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). Er hält die Vergabe für »inflationär« und verweist auf viele Dresdner Preise »mit großem Renommee und Außenwirkung« wie den internationalen Friedenspreis oder den Erich-Kästner-Preis.

Die Veranstalter haben nun das Prozedere für den Ball gestrafft. Den 2500 Gästen bleibt der Ordens-»Marathon« erspart. Wie das Programm nun konkret aussieht, ist unklar. Beim SemperOpenairball vor dem Opernhaus, zu dem Tausende erwartet werden, hat Amnesty International eine Mahnwache angekündigt. dpa/nd

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