- Politik
- Ministerpräsidentenwahl in Thüringen
Mohring verliert Rückhalt in Thüringer CDU-Fraktion
Neuwahl des CDU-Fraktionsvorsitzes für Mai geplant / R2G stellt Kemmerich Ultimatum / Bundes-CDU will Neuwahlen
Erfurt. Die politische Zukunft von Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring nach der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl ist offen. Mohring hat in der eigenen Landtagsfraktion keinen Rückhalt mehr, wie es am Freitag aus Kreisen in Erfurt hieß. Das habe die Fraktionssitzung in der Nacht zum Freitag gezeigt. Im Mai soll der Fraktionsvorstand demnach neu gewählt werden. Mohring dürfte dann den informierten Kreisen zufolge den Fraktionsvorsitz abgeben.
Nach Informationen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) kündigte Mohring in der Krisensitzung an, bis zur Neuwahl der Fraktionsspitze den Übergang zu organisieren. An der Sitzung hatte auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer teilgenommen.
Die Führung der Bundes-CDU hatte sich für rasche Neuwahlen ausgesprochen, damit konnte sich Kram-Karrenbauer in der Nacht zum Freitag aber nicht durchsetzen. Stattdessen räumte sie der Landes-CDU eine Schonfrist ein, um auf parlamentarischem Weg und ohne Neuwahlen aus der Krise zu finden. Mohring, der am Donnerstagabend als CDU-Landeschef bestätigt wurde, lehnt dies aber ab. Das CDU-Präsidium trifft sich am Freitagvormittag in Berlin zu einer Sondersitzung, um über die Lage nach der Wahl in Thüringen und Konsequenzen zu beraten. Armin Laschet, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, warnte vor einer Führungskrise in der Partei.
Derweil haben Linke, SPD und Grüne in Thüringen haben dem Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) ein Ultimatum für einen Rücktritt gesetzt. Spitzenvertreter der drei Parteien forderten Kemmerich am Donnerstagabend dazu auf, sein Amt bis Sonntag niederzulegen. Die Botschaft sei: »Rücktritt - und zwar eine Aussage bis Ende Sonntag«, sagte Thüringens SPD-Chef Wolfgang Tiefensee in Erfurt.
Thomas Kemmerich hatte sich am Donnerstagnachmittag bereit erklärt, sein Amt aufzugeben. Die FDP-Fraktion will dafür einen Antrag auf Auflösung des Landtags stellen, um eine Neuwahl herbeizuführen. »Thomas L. Kemmerich will damit den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen«, hieß es in der Mitteilung der Thüringer FDP-Fraktion. FDP-Chef Christian Lindner war zu Krisengesprächen in Erfurt und will im Vorstand seiner Partei die Vertrauensfrage stellen. »Die Bundesführung muss neu legitimiert werden, ein Weiterso kann es da nicht geben«, sagte Lindner am Donnerstag in Erfurt. Deswegen habe er für Freitag eine Sondersitzung des Parteivorstands einberufen, um sich dort »des Rückhalts zu versichern«.
Thüringens abgewählter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) steht bei einer neuen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen erneut als Kandidat für eine rot-rot-grüne Regierung zur Verfügung. Das erklärte der Vizelandeschef der thüringischen Linken, Steffen Dittes, am Donnerstag in Erfurt vor Journalisten. Er sei von seiner Partei »ausdrücklich legitimiert«, dies mitzuteilen, ergänzte er.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Wahl von Thomas Kemmerich mit AfD-Stimmen zuvor als »unverzeihlich« kritisiert. Das Ergebnis dieses Vorgangs müsse rückgängig gemacht werden, sagte Merkel am Donnerstag bei einem Besuch in Südafrika und stellte sich damit indirekt hinter Neuwahl-Forderungen. Die Kanzlerin sprach von einem »schlechten Tag für die Demokratie«, an dem mit den Werten und den Überzeugungen der CDU gebrochen worden sei.
Trotz vehementer Forderungen aus der Bundespolitik lehnte Kemmerich Neuwahlen jedoch zunächst ab. »Neuwahlen in dieser Situation würden nur zu einer Stärkung der Ränder weiter führen - das können Demokraten nicht wollen«, sagte Kemmerich am Donnerstagmorgen im ARD-»Morgenmagazin«. Zugleich forderte er alle »demokratischen Parteien« im Erfurter Landtag auf, »die aufgepeitschte Lage« zu beruhigen.
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Rücktrittsforderungen schon vorher aus der eigenen Partei
Die FDP wollte Thomas Kemmerich schon zuvor zum Amtsverzicht bewegen. »Ich rechne damit, dass Thomas Kemmerich sein Amt zurückgibt in nicht allzu ferner Zukunft und dass es dann Neuwahlen gibt«, sagte der Vizefraktionschef der FDP im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, am Donnerstag im Deutschlandfunk.
Durch Kemmerichs Wahl mit Stimmen der AfD sei »Schaden entstanden«, sagte Lambsdorff. Die thüringische Landes-FDP habe »sich verführen lassen«. Parteichef Lindner habe klar gemacht, dass er eine »stillschweigende Koalition« von FDP, CDU und AfD in Thüringen nicht akzeptiere. »Die FDP als Gesamtpartei schaut auf die Vorgänge in Thüringen und ist überwiegend genauso erschrocken wie große Teile der Bevölkerung.« Des Weiteren kritisierte Lambsdorff das Vorgehen der thüringischen FDP. »Es hätte diese Kandidatur nicht geben müssen«, sagte er. »Es ist ungewöhnlich, dass eine Partei mit fünf Prozent den Ministerpräsidenten stellt.«
Offene Rücktrittsforderungen an Kemmerich kamen auch aus den FDP-Landesverbänden. So sagte der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Jochen Stamp (FDP): »Ich fordere Thomas Kemmerich auf, mit einem Rücktritt den Weg zu Neuwahlen in Thüringen frei zu machen.« Es dürfe »keine Zusammenarbeit jedweder Art mit der AfD geben«. Ähnlich äußerte sich Schleswig-Holsteins Vizeministerpräsident Heiner Garg (FDP), der Kemmerich zum »sofortigen Rücktritt« aufforderte.
Kubicki fordert Neuwahlen
Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat sich einen Tag nach der Wahl für Neuwahlen ausgesprochen. »Die Erklärung der Minderheitskoalitionäre aus Linken, SPD und Grünen, Fundamentalopposition zu betreiben, schafft eine neue Lage«, sagte Kubicki am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe offensichtlich keine Mehrheit im Landtag in Erfurt jenseits der AfD. »Neuwahlen werden damit unausweichlich. Der beste Weg zu Neuwahlen ist die Parlamentsauflösung. Ich erwarte einen entsprechenden Antrag von SPD, Grünen oder Linken im Thüringer Landtag. An der FDP wird er nicht scheitern«, sagte er weiter.
FDP-Chef Christian Lindner will heute zu Gesprächen nach Erfurt reisen. Am Mittwoch hatte Kubicki noch von einem »großartigen Erfolg« für Kemmerich gesprochen und für ein Bündnis aller demokratischen Kräfte jenseits der AfD geworben.
Kritik an Thüringer CDU
Auch die Thüringer CDU geriet nach der Wahl des Ministerpräsidenten mithilfe der AfD massiv unter Druck. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer drohte den Parteifreunden in Erfurt mit Konsequenzen, falls sie mit dem neuen Regierungschef Thomas Kemmerich zusammenarbeiten sollten. »Dieser Ministerpräsident hat keine parlamentarische Mehrheit, er muss sich immer auf der AfD abstützen«, sagte sie im ZDF am Donnerstag. Insofern wäre eine Zusammenarbeit mit Kemmerich ein Verstoß gegen die Parteilinie, die jede Kooperation mit der AfD ausschließe - »mit den entsprechenden Folgen«.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat die von der AfD unterstützte Wahl als »falsch« bezeichnet. Mit der AfD dürfe es »keine Zusammenarbeit« geben, bekräftigte Kretschmer im ARD-»Morgenmagazin«. Die Entwicklung in Thüringen sei ein »Schaden«, auf den »das Inland, aber auch das Ausland« schaue. Beobachter könnten nun verfolgen, dass »mit dem schlimmsten Vertreter der AfD, Björn Höcke, ein Ergebnis erzielt worden ist«, sagte Kretschmer.
Der sächsische Ministerpräsident verurteilte das Verhalten aller Parteien im thüringischen Landtag. Das Wahlergebnis vom Oktober vergangenen Jahres habe gezeigt, dass »kein Lager eine politische Mehrheit« habe. Alle Kräfte im Landtag hätten versucht, »mit der Brechstange« an die Macht zu kommen, kritisierte Kretschmer. Dies gelte auch für Rot-Rot-Grün, das »keine Mehrheit« habe.
CDA überlegt, Thüringer CDU auszuschließen
Der CDU-Sozialflügel hat einen Ausschluss des Thüringer Landesverbands aus der Bundespartei ins Gespräch gebracht. »Die CDA Deutschlands fordert die CDU Thüringen auf, sofort Neuwahlen herbeizuführen. Wer sich mit Stimmen der Rechtsextremen in ein Amt wählen oder tolerieren lässt, hat in unserer CDU nichts zu suchen und muss ausgeschlossen werden«, hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung des geschäftsführenden CDU-Bundesvorstands. Die CDA schäme sich zutiefst, was in Erfurt geschehen sei, hieß es in der Mitteilung weiter. »Die CDU Thüringen hat gestern den historischen Fehler der Zentrumspartei wiederholt. Eine CDU, die bei dieser Frage wackelt, ist für uns Christlich-Soziale nicht unsere Partei.«
Hajo Funke: Tabubruch ja - Dammbruch nein
Der Berliner Politologe Hajo Funke glaubt nicht, dass die AfD durch ihr Vorgehen in Thüringen ihrem Ziel näher gekommen ist, als normaler Mitspieler im Politbetrieb wahrgenommen zu werden. Auch wenn die Parteifunktionäre in den vergangenen Stunden, jedem, der ihnen ein Mikrofon vor den Mund hielt, sagten, das sei nun die Geburtsstunde einer »bürgerlichen Allianz«.
Funke sagt: »Ja, was wir in Erfurt erlebt haben, war sicher ein Tabubruch. Ein Dammbruch jedoch war es nicht.« Die empörten Reaktionen vieler Menschen hätten vielmehr gezeigt, dass der Damm der Ablehnung gegen die Partei der Rechtspopulisten und Rechtsradikalen durch diese Aktion eher noch höher geworden sei. Auch weil die AfD in Thüringen eben keine Truppe enttäuschter Konservativer sei, sondern eine von radikalen Kräften dominierte »Höcke-AfD«. Sein Fazit: »Von einer Machtperspektive hat sich die AfD damit noch weiter entfernt.« Agenturen/nd
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