Unteilbar gespalten

Die Ansetzung einer Demonstration sorgt für Stunk in der linken Szene

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht Nachlassen, auch nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Thomas Kemmerich nicht – aus diesem Grund will das Bündnis #unteilbar am 15 Februar nach Erfurt mobilisieren. Unter dem Leitspruch: »#Nichtmituns: Kein Pakt mit Faschist*innen - niemals und nirgendwo!« rufen unter anderem auch der DGB Hessen-Thüringen und die Jüdische Landesgemeinde Thüringen zu den Protesten auf. Auch nach dem Rücktritt des »Ministerpräsidenten von Nazis Gnaden« sei klar, dass die Brandmauer gegen Faschisten einen tiefen Riss habe. »Mit der AfD darf es keine Kooperation geben - nicht im Bund, nicht in den Ländern und nicht auf kommunaler Ebene«, heißt es in dem Aufruf zu der Demonstration.

Der Termin sorgt für Stunk in der linken Szene: Die Demonstration in Erfurt findet am gleichen Tag statt wie der Protest gegen einen in Dresden geplanten Naziaufmarsch. In der dortigen Innenstadt ist ein rechtsextremer Aufmarsch mit etwa 800 Personen angemeldet. Kommen werden wohl deutlich mehr: Die Bombenangriffe der Alliierten auf Dresden jähren sich in diesem Jahr zum 75. Mal. Seit sich das Bündnis »Dresden Nazifrei« 2009 gegründet hat, versucht es den Nazis ihren Opfermythos zu vermiesen.

2010 können etwa 5000 Neonazis ihren »Trauermarsch« wegen der Blockaden des Bündnisses nicht durchführen. Am Bahnhof Dresden Neustadt stehen sie unter massivem Polizeischutz einige Stunden herum, halten Reden und werden mit Schneebällen eingedeckt. In den kommenden Jahren wird die Demonstration der Nazis immer kleiner.

Wegen des Jahrestages erwarten die Organisatoren der Proteste in diesem Jahr aber wieder mehr Rechte. Dementsprechend harsch ist die Kritik an #unteilbar. Die Publizistin Jutta Ditfurth spricht von einem »schweren politischen Fehler mit langfristigen Folgen für alle«.

Sophie Koch, Vorsitzende der Jusos Sachsen, sagt gegenüber »nd«, sie teile zwar das Anliegen von #unteilbar. In Dresden gehe es aber real darum, zu verhindern, dass Nazis Raum einnehmen und auf der Straße hetzen. Der Marsch der rechten Kräfte würde wieder anwachsen, »wir brauchen hier jede*n!«, sagt die Juso-Chefin.

In der autonomen Szene wird aktuell ein Aufruf mit dem Titel »Lieber Teilbar als Unsolidarisch« verbreitet. Darin heißt es »Das Bündnis Unteilbar ist ein gemäßigtes, bürgerliches Bündnis, was auch sein Gutes hat, um Menschen, die bisher keine Berührungspunkte zu linksradikaler Politik hatten, abzuholen und für Themen wie Antifaschismus und Antirassismus zu engagieren. Aber bürgerlicher Protest sollte nicht radikalen Antifaschismus sabotieren.«

Das Bündnis »Dresden Nazifrei« gibt an, erst aus den sozialen Medien von der Demonstration von unteilbar gehört zu haben. Man sei »enttäuscht« über die Demonstration in Erfurt, so die Organisatoren.

»Es wurden im Vorfeld innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Gespräche mit verschiedenen Akteuren in Dresden und Sachsen geführt, darunter auch mit Vertreter*innen von 'Dresden Nazifrei'«, sagt wiederum #unteilbar.

Das Bündnis hat auf die Kritik reagiert und mobilisiert inzwischen zu beiden Terminen. »Als solidarische Zivilgesellschaft ist es unsere Aufgabe, Faschist*innen und Nazis überall dort entgegenzutreten, wo es nötig ist. Auch an zwei Orten zur selben Zeit«, sagt Pressesprecher Max Becker gegenüber »nd«. Der Tabubruch in Erfurt erfordere ein schnelles und deutliches Zeichen. »Wir sind uns sicher, dass wir am 15. Februar zwei starke Demonstrationen erleben werden. Alle sind aufgerufen, den kommenden Samstag zu einem großen antifaschistischen Tag zu machen«, so Becker weiter.

Auch LINKEN-Vorsitzende und Urdresdnerin Katja Kipping äußerte sich zu der Terminkollision. Die Gegendemonsttrationen in Dresden haben jahrelang von Solidarität aus Thüringen profitiert, meint Kipping. Was in Thüringen passiert, habe historische Dimension. »Dass es gegen diesen Pakt mit den Faschisten eine breite Mobi gibt, die Kemmerichs Rücktritt erzwang, sollte auch uns Dresdnerin freuen«, schrieb sie auf Twitter.

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Die Konsolidierung und der chaotische Zusammenfall des ersten deutschen rechtsautoritären Regierungspaktes, sorgt also auch in der linken Bewegung für strategische Diskussionen. Kein Wunder. Dass dabei von einigen die immer gleichen Nullvorwürfe von »bürgerlich« und »autonom« aus der Schublade gekramt werden, ist schade. Schließlich könnte man sich gerade mal auf die Schulter klopfen. Erstaunlich viele Spitzenpolitiker wussten vorab, was in Thüringen passieren würde. Sie wussten von der möglichen Wahl Kemmerichs. Im Nachhinein gaben sie sich empört. Auch, weil ein überzeugter antifaschistischer Aufschrei sie dazu zwang. Das wäre doch mal ein Grund zum Feiern. Und hoffentlich kommt dann bald hinzu, dass die Nazis in Dresden keinen Meter gehen.

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