Lieber wieder Verfolger sein

RB Leipzig tat die kurze Zeit als Tabellenführer nicht gut. Beim FC Bayern traten die Sachsen nun wieder mutiger auf

  • Ullrich Kroemer, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Peter Gulacsi war am späten Sonntagabend ein glücklicher Mann. Der Torhüter von RB Leipzig hatte gerade im Spitzenspiel beim FC Bayern München seiner Mannschaft kurz vor Schluss mit einer Glanzparade das 0:0 festgehalten. Als Leon Goretzka allein vor ihm aufgetaucht war, spekulierte der Mann im sonnenblumengelben Dress auf einen Schuss in die rechte Ecke seines Kastens und lenkte den Schuss mit den Fingerspitzen noch um den Pfosten. Die Großtat war bereits Gulacsis 14. Parade einer klaren Chance in dieser Saison. Den Keeper freute jedoch eher, dass Leipzig endlich mal wieder zu Null gespielt hatte. Denn das schaffte der Meisterschaftsanwärter zuvor erst viermal - nun aber ausgerechnet beim FC Bayern, »gegen die besten Fußballer, die in der Bundesliga herumspringen«, wie es Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann formulierte.

Nicht nur Gulacsi, die gesamte Defensive der Sachsen hatte dem Münchner Druck in der ersten Hälfte mit so viel Einsatz standgehalten, wie lange nicht mehr. Vor allem Dayot Upamecano und Konrad Laimer wuchsen kämpferisch über sich hinaus. »Wir haben bewusst tiefer gestanden, um auf Konter zu spielen«, analysierte Nagelsmann im Fußballsprech seine eher defensivere Taktik. »Die Jungs sollten kein extremes Risiko nehmen, gerade in den ersten 20 Minuten.« Doch der Plan wäre beinahe schiefgegangen. »Ganz so tief wollten wir es dann aber auch nicht. Wichtig war, dass wir es ohne Gegentor überstehen. Das haben wir teils verdient, teils aber auch glücklich geschafft«, räumte Nagelsmann ein Chancenplus der Münchner ein.

Im weiteren Spielverlauf wurden die Leipziger mutiger. »In der zweiten Hälfte kommst du mit dem Gedanken raus, dass Bayern schlagbar ist. Wir haben in der Halbzeitpause gesagt, dass wir mehr auf Balleroberungen gehen und danach den Ball auch länger halten müssen«, berichtete Nagelsmann. Mit dem Gefühl im Rücken, gut in die Partie hineingekommen zu sein, könne man mehr Risiken eingehen. »Das haben wir gemacht und das wurde auch ganz ordentlich belohnt.«

Für eine zählbare Belohnung hätten Marcel Sabitzer und Timo Werner sorgen können, die in der 46. und 63. Minute jeweils Großchancen vergaben. »Die sollten bei einem Spiel in München schon rein. Ich muss meinen Schuss treffen, keine Frage«, räumte Werner ein. Fast immer, wenn der Torjäger trifft, gewinnt Leipzig auch das Spiel. Aktuell hat er seit vier Partien kein Tor erzielt, und so lange warten die Sachsen nun schon auf einen Sieg. Doch Werner war präsent, präsenter jedenfalls als Bayerns Sturmstar Robert Lewandowski, der bei Upamecano & Co. in guten Händen war.

So können die Leipziger den Punkt beim direkten Kontrahenten um den Meistertitel durchaus als Erfolg werten. »Es war wichtig, dass wir hier so bestanden haben«, sagte Gulacsi. »Wir haben eher zwei Punkte gewonnen in den letzten beiden Ligaspielen, als sie verloren zu haben«, bewertete Werner die jüngsten Duelle mit Mönchengladbach und München. Und Neuzugang Angelino fügte hinzu: »Wir müssen das als ein positives Resultat nehmen. Wir sind immer noch da.«

Insgesamt bleibt es dabei: Mit Ausnahme des 3:1 im August bei Borussia Mönchengladbach gewinnt RB die Spitzenspiele zwar nicht, verliert aber auch keins. Um besser als Bayern und Dortmund zu sein, müsse man diese Teams jedoch irgendwann auch mal schlagen, hatte Nagelsmann kürzlich gesagt. Nun ärgerte sich der 32-Jährige zwar ein wenig über die verpasste Siegchance. »Die Jungs haben gemerkt, dass Bayern schlagbar war. Wir sind ehrgeizige Sportler und hätten lieber gewonnen«, sagte der Trainer. Doch Nagelsmann war weit davon entfernt, seine Spieler zu kritisieren. Er hat erkannt, dass sich das Team in der Verfolgerrolle wohler fühlt, und den Druck verringert.

»Es ist schwierig, unter maximalem Druck Leistung zu zeigen. Das haben wir zuletzt nicht immer geschafft«, bekannte Laimer. Und Werner offenbarte, dass die erste Herbstmeisterschaft in der kurzen Klubgeschichte für Wirrwarr gesorgt hatte. »Gerade nach der Winterpause haben wir zu viele Dinge in unseren Köpfen gehabt. Solche, wie man feiert, wenn man Meister wird«, räumte der Nationalspieler ein. »Als Titelanwärter Nummer eins gehandelt zu werden, hat uns vielleicht nicht gutgetan.«

Leipzigs Titelchance ist angesichts des knappen Rückstands von einem Punkt auf die Bayern natürlich noch existent. Doch RB macht in der Rückrunde nicht den Eindruck, als sei das Team reif genug, die Bayern wirklich vom Thron zu drängen: personell ebenso wie spielerisch und mental. Das sah wohl auch Nagelsmann so, als er den Abend beschloss: »Wir müssen nicht Meister werden. Wenn es für die Meisterschaft reicht, bin ich sehr glücklich. Und wenn wir Zweiter, Dritter, Vierter werden, haben wir auch unseren Job getan. Jetzt haben es die Bayern in der eigenen Hand.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.