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»Ein Tag der Hoffnung«
Tausende haben am Samstag gegen die Wahl von Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten demonstriert
Es ist Ablehnung, die sie vereint. Das Entsetzen darüber, dass sich FDP-Mann Thomas Kemmerich am 5. Februar mit den Stimmen der AfD zum Thüringer Ministerpräsidenten wählen ließ – ausgerechnet mit Hilfe jenes Landesverbandes also, der innerhalb der rechtspopulistischen Partei als besonders radikal gilt. Tausende waren am Samstag nach Erfurt gekommen, um gegen jede Kooperation demokratischer Parteien mit der AfD zu demonstrieren. Die Veranstalter sprachen von mehr als 18 000 Teilnehmenden. Die Polizei zählte 6000 Menschen bei der Kundgebung auf dem Erfurter Domplatz und bis zu 9000 auf der Demonstration.
Da ist die ältere Frau mit der kurzen Jeans über einer Strumpfhose, die eine Fahne mit dem Aufdruck »Nationalismus abwählen« trägt; der ältere Mann mit Rucksack und dem Schild, auf dem steht: »Linke+CDU=Mitte«. Die jungen Eltern, die ihren zwei kleinen Kindern blaue und pinkfarbenen Gehörschutz aufgesetzt haben. Die vielen jungen Menschen, auf deren Jacken »FCK AFD« steht. Und Slogans wie »Kein Platz für Nazis« oder »1933 lässt grüßen« sowie die Forderung nach Auf Plakaten forderten sie »Demokratienachhilfe« für CDU und FDP auf vielen Plakaten.
Schon unmittelbar, nachdem Kemmerich die Wahl angenommen hatte, standen die ersten Demonstranten vor dem Erfurter Landtag und protestierten gegen diesen Tabubruch. Das Motto der Demo am Samstag, zu der das Bündnis Unteilbar und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bundesweit mobilisiert hatten, drückt die Entschiedenheit aus, mit der große Teile der Gesellschaft gegen Bündnisse mit Rechtsradikalen wenden: »Nicht mit uns: Kein Pakt mit Faschist*innen – niemals und nirgendwo!« Anna Spangenberg von Unteilbar konstatierte während der Kundgebung auf dem Erfurter Domplatz: »Die extreme Rechte hat es geschafft, die Tür zur Macht einen Spalt breit zu öffnen.« Doch dank der breiten Proteste sei es »uns als Zivilgesellschaft gelungen, diese Tür krachend wieder zuzuschlagen«.
Stefan Körzell, Mitglied des DGB-Bundesvorstands, sagte, die AfD missbrauche »unsere Demokratie und unsere Parlamente«, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu gefährden. Das finde »unseren entschiedenen Widerstand, hier und überall«. Ausgrenzung, Hass und Hetze hätten noch nie zu einem besseren Leben für alle geführt. »Das ist die Lehre der Geschichte. Der sind wir verpflichtet«, mahnte der Gewerkschafter. Zugleich kritisierte er das Vorgehen von CDU und FDP bei der Ministerpräsidentenwahl scharf. Dieses zeuge 75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz von »unglaublicher Ignoranz und Machtversessenheit«.
Zugleich widersprach Körzell allen, die die AfD und das Weltbild, für das sie steht, für ein ostdeutsches Problem halten. Wer vom Westen aus mit dem Finger auf den Osten zeige, müsse sich schämen. »Diese Vorgänge haben wir im Westen auch«, sagt er. Es sei in Hessen gewesen, wo ein NPD-Mann 2019 Ortsvorsteher einer Gemeinde geworden sei.
Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, stellte fest, die AfD relativiere »offen den Nationalsozialismus«. Sie propagiere Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Hass. Damit sei sie »mitschuldig an der Zunahme rechtsextremistischer Verbrechen«, heißt es in Schramms Rede, die dieser wegen des Sabbats nicht selbst hielt. Sie wurde auf dem Domplatz verlesen. »Wenn wir es zulassen, wird die AfD morgen die Demokratie beseitigen.« Sie werde dann auch CDU und FDP nicht verschonen.
Von der Versammlung in Erfurt ging ein machtvolles Signal aus. Die Ereignisse des 5. Februar haben offenbar viele aufgerüttelt, so dass der Protest anhält, obwohl Kemmerich längst seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten erklärt hat. Auf der Demonstration liefen auch Minister der früheren rot-rot-grünen Landesregierung und Bundespolitiker von Grünen und Linkspartei mit. Nach Angaben des DGB hatten allein aus Hessen und Thüringen 50 Busse Demonstranten nach Erfurt gebracht. Auf der Abschlusskundgebung hieß es, dieser Tag sei »ein Fest der Demokratie« und ein »Tag der Hoffnung« gewesen.
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