- Politik
- Wahl in Hamburg
Veränderung beginnt mit Opposition
Hamburgs Linke hofft auf ein zweistelliges Ergebnis.
»Jetzt Klima wählen« - ein krasser Fall von Nonsens: Am Freitagmittag hatten sich die Grünen-Bundes- und Landesspitze und die Hamburger Spitzenkandidatin Katharina Fegebank zum Auftakt der Fridays-for-Future-Demo in der Hansestadt hinter einem Banner mit dieser Aufschrift versammelt. Der Beliebtheit der Grünen wird das keinen Abbruch tun. Sie können bei der Bürgerschaftswahl mit 23 bis 25 Prozent der Stimmen rechnen, womit sie ihren Wert von 2015 verdoppeln würden. Die SPD liegt derzeit bei 37 bis 39 Prozent und damit deutlich unter dem Ergebnis der letzten Wahl (45,6 Prozent). Doch Rot-Grün dürfte insgesamt eine komfortable Mehrheit erreichen.
Die Linkspartei wiederum kann acht bis 8,5 Prozent erwarten und damit in etwa das gleiche Ergebnis wie 2015. In Anbetracht dessen klang die Ansage der Bundesvorsitzenden Katja Kipping auf einer Wahlkampfveranstaltung am Mittwoch im Altonaer Kulturzentrum Fabrik ein wenig nach Zweckoptimismus. »Ich hoffe, dass wir die zehn Prozent knacken«, rief Kipping den rund 150 Anwesenden zu. An prominenter Unterstützung im Wahlkampfendspurt fehlte es nicht: Gregor Gysi besuchte mit Spitzenkandidatin Cansu Özdemir die Großsiedlung Osdorfer Born, und Thüringens Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow berichtete in Eimsbüttel von den Entwicklungen in Erfurt. Gleichwohl: »Mit der Polarisierung zwischen SPD und Grünen ist es für die Linke schwer geworden«, sagte ein Saalordner in der Fabrik. Denn die Ankündigung der Grünen, die Erste Bürgermeisterin stellen zu wollen, hat sich als strategischer Coup erwiesen: Der NDR lud SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher und seine Stellvertreterin Katharina Fegebank zum Fernsehduell ein, das bislang der Konfrontation von Regierung und Opposition vorbehalten war - ein Nachteil für CDU-Spitzenmann Marcus Weinberg, aber auch für die Linke.
Theoretisch könnte es am Sonntag sogar zu einer Mehrheit für Rot-Rot reichen. Die Linke hat sich trotzdem frühzeitig auf das Weitermachen in der Opposition festgelegt. Bundeschefin Kipping verwies in Altona auf Erfolge, die aus der Opposition heraus erzielt worden sind: Der von den Linken zuerst geforderte Mindestlohn ist inzwischen Senatspolitik. Dem aktuellen Cum-Ex-Skandal um die Besteuerung der Warburg-Bank war die Linke-Bürgerschaftsfraktion mit kritischen Anfragen auf der Spur. Die Proteste der Linken gegen Bürgerrechtseinschränkungen während des G20-Gipfels 2017 und ihr Dringen auf Aufarbeitung standen in maximalem Kontrast zum Schweigen der Grünen. Und bei der Absage der Bürger an eine Olympiabewerbung der Hansestadt per Volksabstimmung konnte sich die Linke gar als einzige Gewinnerin unter den Parteien fühlen.
Weil klassische Sozialpolitik im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, setzt die Linke auf soziale Aspekte in der Wohnungs- und Verkehrspolitik. Der Wahltag soll angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum »zur faktischen Volksabstimmung über den Mietendeckel« (Kipping) werden. Cansu Özdemir schlug bei der NDR-Fernsehdebatte der »kleinen« Parteien eine Arbeitgeberabgabe von 1,75 Prozent für ein Umsonst-Ticket im Nahverkehr vor. »285 000 Menschen in Hamburg leben in Armut oder sind von Armut bedroht. Eine schwache Opposition würde bedeuten, dass Rot-Grün alles durchdrücken kann«, sagte Özdemir in der Fabrik. Während neben der Spitzenkandidatin Sabine Boeddinghaus, Deniz Celik und Stephan Jersch wohl erneut in die Bürgerschaft einziehen werden, sicherten sich auch »Neulinge« aussichtsreiche Plätze, unter ihnen das Landessprecherduo Olga Fritzsche und David Stoop. Heike Sudmann, Mehmet Yildiz und Norbert Hackbusch stehen zwar nicht auf aussichtsreichen Listenplätzen, können in ihren Wahlkreisen aber auf Direktmandate hoffen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.