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Mission unkalkulierbar
In Erfurt will Bodo Ramelow erneut zum Thüringer Regierungschef gewählt werden
Zumindest dürfte es nicht lange dauern, bis ein wenig Klarheit darüber herrscht, was dieser Mittwoch für die deutsche Politik bedeuten wird. Falls denn in Thüringen tatsächlich wie geplant erneut eine Ministerpräsidentenwahl stattfindet. Denn nach jüngsten Meldungen gibt es einen Coronavirus-Verdachtsfall bei einem CDU-Landtagsabgeordneten. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die Abstimmung deshalb vertagt wird.
Geht sie doch über die Bühne, wird wohl schon nach etwa einer halben Stunde feststehen, ob der Linke-Politiker und Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow im ersten Wahlgang erneut Regierungschef des Freistaates wird. Die Abstimmung findet ohne vorherige Aussprache statt. Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) wird um 14 Uhr die Parlamentssitzung eröffnen. Dann erhalten die Abgeordneten ihre Stimmzettel und gehen einzeln und im Geheimen wählen. Dann wird ausgezählt. Kurz darauf wird Keller das Ergebnis verkünden.
Wie es ausfallen wird, das ist allerdings auch unmittelbar vor dem Termin trotz aller Gespräche der vergangenen Wochen nicht vorherzusehen. Denn damit Ramelow die nötige absolute Mehrheit erhält, brauchen Linke, SPD und Grüne mindestens vier Stimmen von anderen Parteien, und zwar »aus dem demokratischen Spektrum«, was aktuell meint: von der CDU. Denn die FDP-Fraktion hat bereits angekündigt, den Plenarsaal für die Wahl verlassen zu wollen.
Derweil lehnt es die CDU-Fraktion ab, Ramelow »aktiv« zu unterstützen. Vor allem Vertreter der Bundes-CDU hatten immer wieder erklärt, es sei nicht mit den Beschlüssen der Partei vereinbar, wenn Christdemokraten Ramelow ihre Stimme gäben - nicht einmal mit dem Argument, sie seien zuerst ihrem Gewissen verpflichtet. Am Dienstag riet der Bundesvorsitzende der Jungen Union (JU), der CDU in Thüringen, auch deren Landtagsabgeordnete sollten den Plenarsaal für die Zeit der Wahl verlassen.
Die Parteifreunde im Freistaat wiesen diese Forderung zwar zurück. Doch ob sich vier Landtagsmitglieder finden, die Ramelow im ersten Wahlgang ihre Stimme geben, ist damit längst nicht sicher. Das hatten Voigt und drei weitere Mitglieder seiner Fraktion Linkspartei, SPD und Grünen hinter verschlossenen Türen zugesagt. Immerhin, der neue CDU-Fraktionschef Mario Voigt sagte dem MDR in Reaktion auf Kubans Vorstoß: »Abgeordnete sind nicht dafür gewählt, sich aus der Verantwortung zu stehlen.«
Am wahrscheinlichsten ist es, dass sich die CDU-Fraktion bei der Wahl offiziell enthält, dass aber vier oder vielleicht auch fünf Abgeordnete trotzdem für Ramelow stimmen.
Als wäre das nicht genug Unsicherheit für die zweite Ministerpräsidentenwahl innerhalb eines Monats, ist außerdem unklar, was passiert, wenn Ramelow im ersten Wahlgang deutlich mehr als vier oder fünf Stimmen jenseits der rot-rot-grünen Mehrheit erhalten sollte - also nicht nur 46 oder 47, sondern beispielsweise 55 oder 60 von 90. Denn dann kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige davon aus der AfD kommen.
Vor vier Wochen hatten die AfD-Abgeordneten im dritten Wahlgang für den FDP-Politiker Thomas Kemmerich statt für ihren eigenen Kandidaten votiert. Kemmerich hatte die Wahl zunächst angenommen, nach heftigen Protesten aber drei Tage später seinen Rückzug angekündigt.
Zwar hat der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke zuletzt ausgeschlossen, dass es aus seiner Fraktion Stimmen für Ramelow geben könnte - und seine eigene Kandidatur verkündet. Doch im Lager von Rot-Rot-Grün nach dem Fiasko des 5. Februar niemand solchen Beteuerungen.
Was also passiert, wenn Ramelow deutlich mehr als das nötige Minimum an Stimmen erhält? Würde er die Wahl annehmen? Und was, wenn dem so wäre und die AfD anschließend erklärt, mehrere ihrer Abgeordneten hätten für den Linke-Politiker votiert?
Noch komplizierter wird es, wenn Ramelow im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit verfehlt. Zwar hat Rot-Rot-Grün für diesen Fall angekündigt, sofort die Auflösung des Landtages zu beantragen. Doch erstens würde ein solcher Antrag ohne Zustimmung der CDU nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreichen. Die bisherigen Regierungsparteien können zwar so vorgehen, aber die Ministerpräsidentenwahl würde wahrscheinlich trotzdem mit einem zweiten und dritten Wahlgang fortgesetzt. In diese Wahlgänge will sich Ramelow eigentlich nicht begeben, sollte er beim ersten Mal durchfallen. Doch angesichts der Kandidatur von Höcke wird sich das wohl schwer durchhalten lassen. Denn der rechtsradikale Politiker könnte, gäbe es keinen Gegenkandidaten, im dritten Wahlgang schon mit einer einzigen Ja-Stimme zum Ministerpräsidenten gewählt werden.
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