Immer mehr »LGBT-freie Zonen« in Polen

Städte und Regionen machen ihre Ablehnung für homo- und bisexuelle sowie trans-Personen offiziell

  • Susanne Romanowski
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Anfang stand eine Aktion der rechten Wochenzeitung »Gazeta Polska«. Die legte zu Jahresbeginn 2019 ihrer Ausgabe einen Aufkleber mit der Aufschrift »LGBT-freie Zone« bei - sprich frei von Lesbischen, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen. Sie reagierte damit auf eine Initiative des liberalen Warschauer Bürgermeisters Rafał Trzaskowski. Er wollte queere Lebensentwürfe in die Sexualkundelehrpläne örtlicher Schulen aufnehmen. Zwar verbot das Warschauer Bezirksgericht im Juli 2019 die weitere Verbreitung der Aufkleber, bis dahin hatten sich allerdings schon Dutzende Gemeinden zu »LGBT-freien Zonen« erklärt.

Warschau gehört nicht dazu, aber rund 100 Lokalregierungen haben sich dieser Aktion inzwischen angeschlossen. Dies berichtet das Projekt »Atlas des Hasses«. Die nicht bindenden Resolutionen wurden vor allem im Südosten Polens verabschiedet und gelten nun etwa auf einem Drittel der gesamten Landesfläche. Diese Entwicklung steht in einem größeren Kontext zunehmender LGBT-Feindlichkeit in Polen.

Ein Großteil der Regierungen nutzt für die Erklärung ein Dokument der ultrakatholischen Organisation »Ordo Iuris«. Die »Kommunale Charta der Familienrechte« beschwört die »LGBT-Ideologie«, die angebliche christliche Werte und die Integrität der polnischen Familie bedrohe. Im Fokus steht dabei das vermeintliche »Wohl der Kinder«. Sexualkunde, insbesondere solche, die LGBT-Themen einbezieht, sei zu verurteilen. Gefordert werden der Entzug jeglicher Unterstützung für LGBT-freundliche Organisationen und die Einrichtung eines Meldesystems, bei dem Fälle »der Verletzung von Familienrechten« denunziert werden können.

Größere Bekanntheit erlangte »Ordo Iuris« 2016, als die Organisation eine - letztlich nach Massenprotesten abgelehnte - Gesetzesinitiative einbrachte, die ein komplettes Abtreibungsverbot in Polen bewirkt hätte. Der Einfluss der Fundamentalist*innen ist bemerkenswert: Der Mitgründer von »Ordo Iuris« und ein ehemaliger akademischer Beirat sind heute Richter am Obersten Gerichtshof.

Zur Umsetzung der Resolutionen ist wenig bekannt. Zahlen zu LGBT-feindlichen Übergriffen in Polen gibt es nicht: Anders als Herkunft oder Religion werden sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität als Motiv für Hasskriminalität in den Statistiken nicht berücksichtigt. Ein Fall von LGBT-feindlicher Gewalt aber machte im Juli 2019 international Schlagzeilen: Bei der ersten »Gay Pride«-Demonstration in Białystok organisierten nationalistische und erzkatholische Gruppen 40 Gegendemonstrationen und griffen die Teilnehmer*innen der LGBT-Demo tätlich an.

Auf nationaler Ebene macht die Regierungspartei PiS seit dem Europawahlkampf verstärkt Stimmung gegen queere Personen. PiS-Chef Jarosław Kaczyński betont oft, wie sehr vermeintliche Gender- und LGBT-Ideologien die polnische Identität bedrohen. Präsident Andrzej Duda verteidigt die Einrichtung der »LGBT-freien Zonen« mit einer beliebten Pseudodifferenzierung: Die Zonen richten sich nicht gegen Personen, sondern lediglich gegen eine übergeordnete Ideologie.

Doch es gibt Widerstand. Der Aktivist Bart Staszewski fotografiert homo, bi- und transsexuelle Menschen aus den »LGBT-freien Zonen« vor den Ortseingangsschildern ihrer Heimatstädte. Unter diese Schilder hat Sta-szewski ein weiteres montiert, auf dem in mehreren Sprachen »'LGBT-freie Zone' steht«. »Ordo Iuris« möchte den Aktivisten nun verklagen, da er mithilfe von »fake news« den guten Ruf der Gemeinden beschädige.

Staszewskis Engagement ist dafür womöglich nicht nötig: Im Dezember verurteilte das Europäische Parlament die Einrichtung von »LGBT-freien Zonen« und betonte, dass EU-Gelder nicht für diskriminierende Projekte verwendet werden dürften. Konkrete Maßnahmen sind jedoch nicht geplant. Einzelne Kommunen reagieren deutlicher: Die französische Kleinstadt Saint-Jean-de-Braye kündigte kürzlich ihre Städtepartnerschaft mit dem polnischen Tuchów auf. Deutsche Städte wie Weimar, Stendal und Paderborn prüfen Medienberichten zufolge derzeit, ob sie ihre Städtepartnerschaften in »LGBT-freien Zonen« aufrechterhalten wollen.

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