Die Welt ist krank und inhuman
Nadav Eyal sieht einen weltweiten Aufstand gegen die Globalisierung kommen
Globalisierung wirkt vor allem lokal. Und lokal macht der israelische Star-Journalist Nadav Eyal auch seine Erfahrungen mit dem, was er »Revolte« nennt: Widerstand gegen die weltweite Globalisierung. Die er nicht ablehnt, die er aber besser, gerechter, menschenwürdiger gestaltet wissen will. Der 1979 geborene Chefkorrespondent des israelischen Fernsehsenders Channel 13 hat in den letzten zehn Jahren diverse Orte rund um den Globus aufgesucht und mit betroffenen Menschen gesprochen. Er beschreibt den Migrationsdrang sowohl historisch wie auch als eine anthropologische Grundeigenschaft und ein Menschenrecht.
• Buch im nd-Shop bestellen
Nadav Eyal: Revolte. Der weltweite Aufstand gegen die Globalisierung.
A. d. Hebr. v. Ruth Achlama. Ullstein, 492 S., geb., 29,99 €.
Eyal stellte sich mit aus Syrien geflohenen Menschen an die serbisch-ungarische Grenze - und hat sie Jahre später erneut gesprochen, sie nach ihren Erfahrungen in Deutschland gefragt. Sie haben natürlich Heimweh, aber sie sind froh über Arbeit, ein Dach über dem Kopf und ein bombenfreies Leben. Am Schicksal eines 1933 aus Bialystok in Polen illegal nach Palästina eingewanderten Mannes zeigt er, wie grausam Einreiseverbote sind; dessen Familie durfte ihm nicht folgen.
Breiten Raum nehmen in dem von Ruth Achlama glänzend übersetzten Buch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung ein. Wenn die westlichen Länder ihren Stahl nicht mehr selbst herstellen, sondern aus China beziehen, werden die Menschen dort von aus den Hochöfen entweichenden giftigen und klimaschädlichen Abgasen beeinträchtigt; die Arbeiter im Ruhrgebiet oder in Pennsylvania sind nicht mehr lungenkrank, aber ohne Erwerb.
Aus der Produktionsverlagerung wird ein lokales Ärgernis, das sich letztlich auch global auswirkt. Stichwort: Klimawandel. Auf der anderen Seite verelenden die US-amerikanischen Bergbau- und Industriestädte, verschwindet eine ganze Klasse. Rechte Populisten springen hier auf. Mit weitreichenden Folgen, wie die Agenda des derzeitigen US-Präsidenten beweist, der den freien Welthandel aufkündigte. Eyal erinnert daran, das Donald Trumps »America first« schon ein Schlagwort derjenigen Kreise in den USA war, die gegen einen Eintritt in den Zweiten Weltkrieg votierten.
Eyal interviewte auch Nationalisten, rechte Propagandisten und Demagogen, so in Deutschland »Neue Rechte« und Neonazis, auch thüringische Rechtsradikale. Auf dem Höhepunkt der griechischen Krise fuhr er nach Athen. Er spracht mit Marine Le Pen vom französischen Front National. Sie alle stellen das »Wohl« des eigenen Volkes über das aller anderen Völker, halten Einwanderung aus rassistischen Gründen oder vorgeblich zum Schutz inländischer Arbeitnehmer für unerwünscht.
Einige Kapitel widmet Eyal explizit den Zuständen in den USA. Er berichtet über den mörderischen Waffenhandel und freien Waffenbesitz, über die Lügen, die nicht nur der Präsident, sondern auch rechts-subversive Medien verbreiten. Er besuchte Hinterbliebene der Kinder, die 2012 in einer Schule in Sandy Hook, Connecticut, von einem jungen Mann mit Sturmgewehr erschossen wurden. Verschwörungstheoretiker behaupteten später, dass diese Kinder nie gelebt hätten, dass das Massaker eine Erfindung von Barack Obama gewesen sei, der als Präsident striktere Waffengesetze verabschieden wollte.
Eyals exzellent recherchierte, faktenreiche und quellengesättigte Reportagen offenbaren den gegenwärtigen kranken Zustand dieser Welt, die sich inhuman und mörderisch gebärdet und ohne Sinn und Verstand auf eine Klimakatstrophe zubewegt. Er ist überzeugt, dass sich der Widerstand dagegen mehrt.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!