Trojaner erreichen den Nordosten

Schweriner Landtag beschließt neues Sicherheits- und Ordnungsgesetz

Es wurde heftig kritisiert, es wurde dagegen protestiert - und nun wurde es beschlossen: das neue Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG). Damit reiht sich Mecklenburg-Vorpommern in die Reihe der Bundesländer ein, die ihren Polizeibehörden mehr Befugnisse geben - umstrittene Befugnisse. Die Verfechter der Gesetzesänderungen - auch die im Nordosten - betonen die Notwendigkeit, der Polizei die nötigen Instrumente zur Bekämpfung von Terrorismus, Onlinekriminalität und Kinderpornografie zu geben. Die Kritiker sehen etwa durch die neuen Überwachungsmöglichkeiten die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in Gefahr. Sie lassen sich auch durch Beteuerungen, dass die Maßnahmen unter richterlichem Vorbehalt stünden, nicht beschwichtigen.

Am Mittwoch wurde das Gesetz der rot-schwarzen Regierung im Schweriner Landtag mit den Stimmen von SPD, CDU und AfD beschlossen. Es gibt den Sicherheitsbehörden etwa durch den Einsatz von Schadsoftware - den sogenannten Staatstrojanern -, die Möglichkeit, Smartphones und Computer auszuspähen und die Kommunikation zu überwachen.

Gegner des Gesetzes wie das Bündnis »SOGenannte Sicherheit«, das am Mittwochmorgen vor dem Landtag gegen die Gesetzesverschärfungen protestierte, hatten in der monatelangen Auseinandersetzung um das Vorhaben immer wieder auf die Ausweitung der Videoüberwachung oder die Möglichkeit der Bespitzelung des persönlichen Umfelds einer Zielperson hingewiesen: Dies beträfe die Familie, das Arbeitsumfeld und den Bekanntenkreis, so das Bündnis. Aus Angst, in den Fokus der Behörden zu geraten, würden so »soziale Kontakte mit möglicherweise Verdächtigen belastet und vermieden«. Dadurch entstehe ein Klima des Misstrauens.

Zu den SOG-Gegnern gehört auch die SPD-Jugendorganisation. Juso-Landeschef Johannes Barsch entschuldigte sich in ihrem Namen »für das Abstimmungsverhalten der SPD-Landtagsfraktion bei allen, die in den letzten Monaten mit uns für eine freie Gesellschaft ohne ausufernde polizeiliche Überwachungsbefugnisse und den Schutz von Bürger*innenrechten gekämpft haben«.

Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Peter Ritter, konstatierte, die »anhaltende Kritik« an dem Gesetz innerhalb und außerhalb des Landtags sei, obwohl »völlig berechtigt«, »dennoch weitgehend ignoriert« worden. Der Ausbau polizeilicher Befugnisse, das Beschneiden von Kontrollrechten des Datenschutzbeauftragten, das Aufweichen des journalistischen Quellenschutzes und weitere Maßnahmen würden das Vertrauen der Bürger in die Polizei unterminieren. Insbesondere durch Onlinedurchsuchung und Telekommunikationsüberwachung werde aus der Polizei eine »Institution, deren Arbeit auf Unsicherheit beziehungsweise Sicherheitslücken von IT-Systemen basiert«. Dies sei ein Paradigmenwechsel, »dessen Flurschaden bei den internetaffinen Generationen noch gar nicht absehbar« sei, so Ritter. Vor der Abstimmung erinnerte er an die von Experten, Verbänden und dem Landesdatenschutzbeauftragten vorgetragenen Einwände gegen das SOG: »Von den Anhörungen zur Kreisgebietsreform abgesehen, habe ich kaum so kritische Anhörungen wie die zum vorliegenden Gesetzentwurf erlebt.« Aus Sicht von Ritter ist das Gesetz schon angesichts der sinkenden Kriminalitätsraten und steigender Aufklärungsquoten unnötig.

Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hingegen begrüßte die Entscheidung des Landtags. Das SOG sei die »Antwort auf das digitale Zeitalter« und bringe »mehr Sicherheit«, hatte er vor der Plenarsitzung erklärt. Polizei und Ordnungsbehörden erhielten »die in der heutigen Zeit dringend notwendigen Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr, um in weiteren Bereichen präventiv handeln können, in denen es ihnen bisher nicht möglich war«. Damit könne die Polizei »noch effektiver Straftaten bekämpfen« und so »Rechtsgüter wie Leib, Leben und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger« noch besser schützen.

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