Konservatives Rollback
Alte Elite kehrt in Malaysia zurück an die Hebel der Macht
Nach der ersten Kabinettsitzung verkündete der Premier, Muhyiddin Yassin, die Bildung eines ökonomischen Beraterstabs, zu dem neben den Ressortchefs für Finanzen und internationalen Handel auch der Zentralbankgouverneur und mehrere Experten gehören sollen. Am Montag werde das Gremium erstmals tagen. Es gehe darum, Malaysias Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dazu will Muhyiddin auch das Konjunkturprogramm einer kritischen Überprüfung unterziehen, das sein Amtsvorgänger Mahathir Mohamad noch Ende Februar mitten in der innenpolitischen Krise zur Milderung von Folgen der globalen Ausbreitung des Coronavirus aufgelegt hatte. Zu den Überraschungen in der Kabinettsformierung gehörte, dass Muhyiddin erstmals in der Landesgeschichte darauf verzichtet hat, einen Stellvertreter zu benennen. Es gibt lediglich vier Minister, die zusätzlich koordinierende Aufgaben erhalten. Damit will der neue Premier umgehen, dass sich ein Herausforderer gegen ihn aufbaut.
Als »aufgebläht« kritisiert die nunmehrige Opposition das insgesamt 70-köpfige Regierungsteam. Muhyiddin habe mit 15 Positionen mehr offenbar künstlich Ämter kreieren müssen, um seine Koalitionspartner zufrieden zu stellen, sagten zwei Ex-Minister aus den Reihen der Amanah-Partei. Salahuddin Ayub, bis vor wenigen Tagen Ressortleiter für den Agrarbereich, wurde vom singapurischen Portal Channel News Asia mit den Worten zitiert, das Kabinett sei »überladen«. Zudem, so andere Kritiker, fehle es an einer sichtbaren Agenda.
Noch bis Ende Februar war Muhyiddin eine Stütze der bisherigen Regierungskoalition Pakatan Harapan (PH) gewesen. Dieses Bündnis hatte bei den Wahlen im Mai 2018 einen historischen Sieg errungen und erstmals die über sechs Jahrzehnte seit der Unabhängigkeit herrschende Nationale Front (BN) unter der konservativen Vereinigten Nationalorganisation der Malaien (UMNO) abgelöst. Das traditionelle liberal-säkulare Oppositionsbündnis aus der Volksgerechtigkeitspartei (PKR) von Anwar Ibrahim, der lange Jahre in Haft saß und erst kurz nach der Wahl freikam, sowie der Demokratischen Aktionspartei (DAP) hatte sich mit der Amanah und der Bersatu-Partei verbündet. In letzterer hatte Mahathir Mohamad, der mehrere Jahrzehnte lang Regierungschef war, UMNO-Abtrünnige versammelt, die ebenfalls den unter Korruptionsverdacht stehenden Ex-Premier Najib Razak stürzen wollten.
In der Krise jetzt hatte sich die Bersatu aus der PH verabschiedet, zusammen mit einer Gruppe von elf PKR-Abtrünnigen unter Azmin Ali ein alternatives Bündnis mit den alten Eliten geschmiedet. Der mutmaßliche Initiator des Coups hat nun ebenfalls ein Ministeramt inne und trat zur Bersatu über. Während der 94-jährige Mahathir, nach den Turbulenzen als Premier zurückgetreten, die Koalition noch zu retten versuchte, waren die Würfel längst anders gefallen. König Abdullah spielte insofern mit, als er schließlich Muhyiddin zum neuen Regierungschef ernannte. Dieser unterließ es zwar, belastete Vertreter von UMNO oder den kontroversen Chef der islamischen PAS-Partei als Minister zu berufen. Doch nur 13 Prozent der Kabinettsmitglieder sind noch Frauen, kritisieren vor allem DAP und PKR, die chinesisch- und indischstämmigen Minderheiten kommen lediglich mit je einem Minister vor. Eine inklusive Regierung für alle Malaysier, wie sie die PH versucht habe, sei das nicht mehr. Zudem gibt es erstmals einen hohen islamischen Geistlichen als Religionsminister - Mufti Zulkifli Mohamad gilt aber zumindest nicht als islamischer Hardliner, und allen Sorgen zuwider ging das Amt nicht an die PAS.
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