Die Linke in Zeiten der Krise

So wie man versucht, den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck aufzuhalten, muss man auch innerhalb der Linkspartei gegen rechte Tendenzen angehen.

  • Ismail Küpeli
  • Lesedauer: 4 Min.

Schon fast klischeehaft für einen Linken in Zeiten der Krise und der Abwehrkämpfe: Die Entscheidung nach über 25 Jahren politischer Aktivität als parteiunabhängiger Linke beschloss ich nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020 mit Stimmen der CDU, FDP und der faschistoiden AfD in die Linkspartei einzutreten. Weniger, weil man schlagartig eine ganz andere, positive Meinung von der Partei bekam. Und auch nicht, weil die Partei von einem Tag auf das nächste sich politisch völlig anders und viel näher bei einem selbst aufgestellt hatte. Sondern vielmehr, weil wieder mal deutlich geworden ist, dass man die Verteidigung der parlamentarischen Demokratie leider nicht der »bürgerlichen Mitte« überlassen kann.

Statt sich darauf zu konzentrieren, auf die Mängel der hiesigen Demokratie hinzuweisen, die zahlreichen autoritären Tendenzen in den letzten Jahren zu kritisieren und die Ausweitung und Vertiefung der Demokratie im sozialen und ökonomischen Feld (wie etwa die Demokratisierung der Betriebe) einzufordern, muss die Linke in erster Linie die Konservativen und Liberalen hierzulande darin zügeln, die Steigbügelhalter für die Faschisten zu spielen. Um diese widersprüchliche aber notwendige Rolle zu erfüllen, muss die Linke auch in parlamentarischen Feld agieren. Und statt »die« Linke damit zu beauftragen, womit stets andere Linke gemeint sind (aber nie man selbst), habe ich mit dem Parteieintritt diese Haltung und Forderung sichtbar gemacht.

Als einfaches Mitglied wird man sicherlich nicht mal im eigenen Kreisverband viel ausrichten können, von der Bedeutung in der Landes- oder Bundesebene ganz zu schweigen. Jeder, der daran glaubt, dass er oder sie die Lösung der vielen linken Probleme bereits in der Tasche hat und die anderen bloß die eigenen guten Argumente hören müssen, um überzeugt zu werden, wird schnell frustriert wieder abtreten. Das ist bei einer linken Partei sicher nicht anders als bei jeder größeren linken Organisation. Es ist auch nicht so, dass alle Linken für die gleichen Werte und für die gleiche Idee einer besseren, gerechteren Gesellschaft stehen. Sowohl in der gesellschaftlichen Linken als auch in der Linkspartei gibt es viele Menschen, die sich in für mich entscheidenden Fragen völlig falsch positionieren.

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Es gibt Linke, die sich das Recht auf Asyl als »Gastrecht« bezeichnen und damit die Rechte der Geflüchteten in Frage stellen. Es gibt Linke, die den Alltagsrassismus in Deutschland runterspielen und relativieren. Es gibt Linke, die immer noch glauben, dass der Klimawandel nicht eine grundsätzliche Infragestellung der industriellen Produktionsweise und damit verbundenen Gesellschaftsformen beinhalten. Es gibt Linke, die meinen, dass Antisemitismus dann kein Antisemitismus mehr ist, wenn es sich in »Israel-Kritik« kleidet. Die Liste ließe sich weiter fortsetzen und betrifft die Linke innerhalb und außerhalb der Partei.

Allerdings ist der Unterschied für einen parteiunabhängigen Linken und einem Mitglied der Linkspartei recht einfach: Als Linker ohne Parteizugehörigkeit ist es einfach, sich von anderen Linken zu distanzieren. Als Parteimitglied fällt diese bequeme Distanzierung weg und man ist gezwungen, sich mit diesen Kräften auseinanderzusetzen. Anders gesagt: So wie man versucht, den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck aufzuhalten, muss man auch innerhalb der Partei gegen die rechten Tendenzen agieren.

Dies ist eine Aufgabe, die sich insbesondere denjenigen stellt, die ohnehin von der deutschen Mehrheitsgesellschaft vielfach als »Nicht-Deutsche« und als »Fremde« gelesen werden und deswegen immer wieder gegen den Alltagsrassismus ankämpfen müssen. Auch wenn wir wissen, dass die hiesige Demokratie uns »Nicht-Deutsche« in vielen Bereichen benachteiligt, die Durchsetzung der formell gegebenen gleichen Rechte immer wieder erkämpft werden muss, gleiche Partizipationschancen nicht gegeben sind sind, sondern Partizipation auf gleicher Augenhöhe immer noch eine schöne Wunschvorstellung bleibt, kommen wir um eine Erkenntnis nicht umhin: In den Zeiten der Krise und eines fast globalen Rechtsrucks müssen wir als »migrantische«, »nicht-deutsche« Linke in einem ersten Schritt und als notwendige Bedingung für eine bessere Gesellschaft die Demokratie hierzulande verteidigen. Davon bin ich überzeugt – und auch davon, dass es hierfür die Linkspartei braucht.

Ismail Küpeli ist Politikwissenschaftler & Historiker sowie Doktorand am Institut für Diaspora- und Genozidforschung.

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