Mit Sicherheitsabstand im Freien

Auch auf dem Tempelhofer Feld ist die Sorge um das Coronavirus derzeit allgegenwärtig

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 4 Min.

»Nach zwei Laufrunden ums Feld darf man sich schon mal ein kleines Päuschen gönnen«, sagt Martin Lehmann. Der 26-Jährige sitzt auf einer Bank am Rande der ehemaligen Start- und Landebahn auf dem Tempelhofer Feld und hält sein Gesicht in die Sonne. Er trägt ein kurzärmliges Hertha-Trikot, dazu weiße Sport-Sneaker. Am Handgelenk hat er eine Digitaluhr zur Pulserfassung dabei. »Eigentlich sollte ich gerade in Kroatien sein, aber mein Flug wurde wegen der Epidemie gestrichen«, sagt Lehmann.

Also verbringt der sportliche Berliner notgedrungen seine zwei Wochen Urlaub zu Hause. »Quasi in Selbst-Quarantäne«, wie er sagt. Denn außer zum Einkaufen oder eben zum Joggen verlässt der junge Mann seine eigenen vier Wände nicht mehr. »Ich halte mich an die Vorgaben der Wissenschaft und versuche, so viel Abstand wie möglich zu anderen Menschen zu halten«, sagt er. Deshalb fahre er aus seinem Kiez in Wilmersdorf auch extra zum Tempelhofer Feld, um hier joggen zu gehen. »Auf dem Feld ist wirklich eine Menge Platz für alle; hier habe ich vergleichsweise wenig Bedenken, mich anzustecken.«

Etwas mulmig sei ihm aber schon zu Mute, wenn er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Tempelhof fahre. »Dort husten und schnupfen sie echt rum, da regiert schon die Seuche«, sagt Lehmann etwas schnodderig. Aber es helfe ja nichts. Er habe kein Auto, sein Fahrrad sei kaputt und irgendwie müsse er ja nun mal zu seiner in diesen Corona-Tagen bevorzugten Sportstätte kommen. »Im Bus und in der Bahn fährt die Angst vor dem blöden Virus immer irgendwie mit«, meint Lehmann.

Wie der junge Jogger sind an diesem sonnigen Mittwoch einige Berlinerinnen und Berliner auf dem ehemaligen Flughafenareal in bester Stadtlage unterwegs. Sie lassen Drachen steigen, gehen mit dem Hund spazieren und brausen wahlweise mit dem Fahrrad oder dem Skateboard umher. Die Szenerie hat etwas von einem entspannten, vorfrühlingshaften Sonntag. Doch der Eindruck täuscht. So wie bei dem Jogger ist die Sorge um das Corona-Virus in den Köpfen vieler Menschen auch auf dem Tempelhofer Feld präsent.

Auffällig sind die vielen Kinder, die mit ihren Eltern die Sonne genießen. »Irgendwo muss man ja mit den Kleinen hin, wenn nun erst mal keine Schule mehr stattfindet und auch die Kitas geschlossen sind«, sagt ein Vater, der mit seinen drei Kindern einen bunten Drachen steigen lässt. »Die Spielplätze sind mir zu unsicher, da sind zu viele andere Kinder und Eltern, da finde ich die Ansteckungsgefahr einfach zu groß«, sagt der Vater. »Die Spielplätze müssten sofort gesperrt werden«, fordert er.

Der rot-rot-grüne Senat hatte sich in seiner Sitzung am Dienstag gegen diese von der Bundesregierung geforderte Maßnahme zur Eindämmung der Corona-Epidemie ausgesprochen. Sind seit diesem Mittwoch auch viele Einzelhandelsgeschäfte zu und praktisch alle Freizeitaktivitäten in geschlossenen Räumen verboten, die Spielplätze und Grünanlagen der Stadt bleiben weiterhin geöffnet. Vorerst zumindest. Die Landesregierung behält sich weitere Schritte zum Herunterfahren des öffentlichen Lebens und damit der Vermeidung von Infizierungen mit dem Coronavirus vor. Einige Bezirke wie Spandau oder Mitte haben am Mittwoch ihre Spielplätze entgegen der Senatslinie auf eigene Faust geschlossen, am Donnerstag zog auch Friedrichshain-Kreuzberg nach.

»Ich hoffe wirklich, dass nicht schon bald auch Parks wie das Tempelhofer Feld geschlossen werden«, sagt Tülay Özkan. Die 35-Jährige geht mit ihrer französischen Bulldoggendame Lindsey an der Leine auf dem Feld spazieren. Die gelernte IT-Fachfrau muss derzeit nicht ins Büro, da alle Mitarbeiter zur Arbeit im Home-Office verpflichtet sind. »In der Mittagspause gehe ich jetzt immer eine Runde Gassi auf dem Feld; von meiner Wohnung habe ich es zum Glück nicht weit«, sagt Özkan. Auch sie vermeidet es, wenn es denn nur irgendwie geht, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. »Ich gehe auch nicht mehr ins Restaurant essen und in den Supermarkt gehe ich erst immer gegen halb zehn abends, weil ich hoffe, dass es dann schon etwas leerer ist«, sagt Özkan. »Eigentlich versuche ich, in diesen Tagen so wenig wie möglich vor die Tür zu gehen.« Der tägliche Spaziergang mit Lindsey an der frischen Luft auf dem Tempelhofer Feld hilft der jungen Frau, den Kopf frei zu bekommen. »Das ist momentan einfach wichtiger denn je.«

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