• Politik
  • Corona in Deutschland und weltweit

»Schlimmer als vor Weihnachten«

Wie eine Supermarkt-Kassiererin die Coronakrise erlebt

  • Lesedauer: 2 Min.

Farina Kerekes, Einzelhandelskauffrau in einem Supermarkt im Ruhrgebiet

Ich arbeite normalerweise 30 Stunden pro Woche. Jetzt habe ich auf 35 Stunden aufgestockt - ich bin schließlich jung und gehöre nicht zur Risikogruppe. Da will lieber ich mehr arbeiten, als dass das meine 60-jährige Kollegin machen muss. Wir kommen mit der Arbeit einfach nicht hinterher. Wir haben so viele Kunden, alle Kassen geöffnet, müssen ständig die Regale auffüllen. Selbst die Tüten sind ausverkauft, das habe ich noch nie erlebt. Nicht einmal vor Weihnachten, wenn besonders viel los ist. Dabei gäbe es keine Probleme, wenn sich alle normal verhalten würden. Es kauft ja auch nicht jeder gleich zehn Packungen Klopapier, aber wenn jeder zwei nimmt statt eine, ist es eben schneller weg als normalerweise. Kürzlich haben wir zwei Paletten Klopapier in den Laden gezogen, die konnten wir nicht einmal einräumen, nach 15 Minuten war alles weg. Das war total verrückt. Da kommen auch die Lieferanten nicht hinterher. Mich muss also niemand fragen, ob wir noch was im Lager haben. Die Antwort ist »nein«.

Das größte Problem ist aber: Wenn wir an der Kasse sitzen, dann sitzen wir fest, dann können wir nicht ausweichen. Deshalb achten wir jetzt noch mehr auf Hygiene, desinfizieren unsere Hände noch häufiger und auch alles, was die Kunden anfassen. Das Schwierige ist, mir nicht ständig ins Gesicht zu fassen. Und es gibt Kunden, die keinen Abstand halten, mir ins Gesicht husten, sich in die Hand niesen und mir dann das Geld mit dieser Hand reichen. Das war schon immer schlimm. Aber jetzt sage ich den Kunden auch mal, dass sowas nicht geht. Die meisten reagieren darauf gar nicht. Manche sagen, dass ich recht habe. Andere pampen mich aber auch richtig an. Neulich habe ich beim Einräumen von Regalen eine Kundin gesehen, die ein benutztes Taschentuch in ein Regal geworfen hat. Ich habe sie gefragt, warum sie das macht. Sie antwortete nur: »Sie gehen mir auf die Nerven mit ihrer schlechten Laune!« Am Ende bin ich diejenige, die so etwas wegräumen muss.

In den Supermärkten arbeiten hauptsächlich Frauen. Das gilt für all die »systemrelevanten Berufe«. Wir werden schlecht bezahlt und schlecht angesehen. Es wird Zeit, das sich das jetzt ändert.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.