Scheppern gegen die Wohnungskrise

In der Coronakrise verlagert sich der Protest für eine soziale Wohnraumpolitik größtenteils ins Internet

  • Jonas Wagner
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich war Großes geplant für den vergangenen Samstag. Der europaweite Housing Action Day hätte auch in Berlin Zehntausende Menschen auf die Straßen bringen sollen. Mit Protest gegen anhaltende Verdrängung und für die Enteignung großer Immobilienkonzerne sollte an die großen Mietenwahnsinn-Demonstrationen der vergangenen Jahre angeschlossen werden. Doch die mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens schoben dem Unterfangen einen Riegel vor.

Protestiert wurde trotzdem: »Wir müssen sagen, dass unsere Themen jetzt nicht weniger aktuell sind als vorher«, erklärt Kim Meyer, Sprecherin vom »Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn«, auf einer Video-Pressekonferenz am Samstag. Deswegen probiere man nun eben alternative Protestformen aus: Zahlreiche Transparente wurden überall in Berlin an Häuserfassaden aufgehängt, um 18 Uhr machten Aktivist*innen minutenlang Lärm an den Fenstern ihrer Wohnungen. In der Rigaer Straße in Friedrichshain klapperten so viele Töpfe aneinander, dass es im ganzen Kiez zu hören war. Und die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen stellte mit Dutzenden Paar Schuhen symbolisch einen Demonstrationszug nach und lud die Bilder davon in soziale Netzwerke hoch.

»Dass wir heute präsent sind, obwohl wir nicht auf der Straße sein können, ist großartig«, findet eine Sprecherin des Bündnisses Zwangsräumung verhindern. Zu kritisieren gebe es an den Verhältnissen mehr als genug: »Die wachsende Zahl an Obdachlosen in Berlin ist das wahrscheinlich sichtbarste Zeichen einer verfehlten Miet- und Wohnungspolitik«, so Frieder Krauß von der Berliner Obdachlosenhilfe. Er fordert die Beschlagnahmung von Hotels für die Unterbringung der Obdachlosen der Stadt – zumindest während der Corona-Pandemie, damit die auf der Straße lebenden Menschen sich vor dem Virus schützen können.

William Michel, Aktivist der antirassistischen Initiative Corasol, weist auf die Situation von Menschen in Flüchtlingsunterkünften hin: auch hier gebe es keinerlei Rückzugsmöglichkeiten.

Die sich nun verschärfenden Zustände werden von Aktivist*innen nicht erst seit der Coronakrise kritisiert. Der Kampf um das alternative Jugendzentrum »Potse« in Schöneberg, dass von der Räumung bedroht ist, dauert an, der im gleichen Haus ansässige »Drugstore« musste bereits seine Räumlichkeiten aufgeben. »Wir wurden weggentrifiziert und verdrängt«, erzählt eine »Drugstore«-Aktivistin. Kieze veränderten sich, aber nicht zum Guten, sagt sie.

Um dem Einhalt zu gebieten, haben die Aktivist*innen klare Forderungen: »Profitorientierte Konzerne müssen radikal gestoppt werden«, bringt es eine Sprecherin der »Vernetzung der Berliner Akelius-Mieter*innen« auf den Punkt. Dies solle etwa durch Enteignung und Vergesellschaftung geschehen. Mieter*innen dürften nicht die Kosten der Krise tragen, darin sind sich die Aktivist*innen einig. Deswegen denken einige von ihnen auch über einen organisierten Mietstreik nach, bei dem Mietzahlungen ausgesetzt werden.

Die Zeit birgt eine Chance für die wohnungspolitische Bewegung: Im Licht der Coronakrise erscheinen ihre Forderungen dringender denn je.

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