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Rosneft steigt aus, Russland nicht
Moskau sortiert seinen Ölhandel mit Venezuela neu
»Rosneft gibt die Beendigung seiner Geschäftstätigkeit in Venezuela und die Veräußerung seiner Vermögenswerte im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit in Venezuela bekannt.« Diese Presseerklärung machte am Wochenende in Venezuela Schlagzeilen. Man werde seine Anteile an ein zu 100 Prozent in Besitz des russischen Staates befindliches Unternehmen verkaufen, so der Konzern weiter. Der Name des Unternehmens blieb ungenannt. Als Ausgleichszahlung erhält Rosneft 9,6 Prozent seines eigenen Aktienkapitals vom Käufer, der in dieser Höhe Aktien von Rosneft übernimmt.
Rosneft war mit einem erheblichen Anteil am Ölhandel und an der Rohölproduktion Venezuelas bislang der größte wirtschaftliche Verbündete und so etwas wie eine Lebensversicherung für die Regierung Nicolás Maduros. Die Verbindung war unter Druck geraten, als die Trump-Administration Ende Februar Sanktionen gegen zwei in der Schweiz ansässige Tochterfirmen von Rosneft verhängte. Washington wirft Rosneft Trading und TNK Trading International vor, für die mit Sanktionen belegte Regierung in Caracas international Ölverkäufe arrangiert zu haben.
Seit April 2019 verhängte Washington immer härtere Zwangsmaßnahmen gegen Venezuelas Wirtschaft, darunter den Öl- und Bankensektor. Durch die US-Sanktionen vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen, war Venezuelas staatlicher Ölkonzern PdVSA gezwungen, die Organisation der Ölexporte an ausländische Partner abzugeben. »Rosneft spielte 2019 eine sehr wichtige Rolle für Maduro und PdVSA, als niemand venezolanisches Öl wollte und sie es abgenommen haben«, sagt Antero Alvarado, in Caracas ansässiger Energieexperte und Venezuela-Direktor von Gas Energy Latin America, gegenüber »nd«. Dies sei über ein System von Schuldverschreibungen und Benzinlieferungen geschehen. Über Rosneft wurden zudem Schulden bei Dritten bezahlt. »Ihr Ausstieg ist daher ein wichtiges Symbol.«
Die US-Sanktionen beeinträchtigten das Geschäft von Rosneft zunehmend in anderen Teilen der Welt, sagt Alvarado. Der Verkauf der Vermögenswerte in Venezuela dürfte vor diesem Hintergrund vor allem ein Schritt sein, die Verbindung Rosneft- Venezuela zu trennen. »Aber er bedeutet nicht, dass die Russen Venezuela verlassen.« Auswirkungen auf Venezuelas Ölexporte sind jedoch zu erwarten. Rosneft verfügt über ein ausgeklügeltes Vertriebssystem; Rosneft Trading und TNK waren 2019 geschätzt für ein bis zwei Drittel der venezolanischen Ölexporte verantwortlich. Die neue Holdinggesellschaft des Kremls verfügt möglicherweise nicht über die finanziellen Mittel und das kommerzielle Netzwerk, um den Ölhandel und die Investitionen auf demselben Niveau zu halten.
Rosneft-Sprecher Mikhail Leontiyev erklärte gegenüber Reuters, die Entscheidung, den Betrieb in Venezuela einzustellen, sei zum Schutz der Aktionäre des Unternehmens gefallen. Neben dem russischen Staat, der über Rosneftegaz etwas mehr als 50 Prozent der Anteile von Rosneft kontrolliert, zählen die britische BP mit knapp 20 Prozent sowie Katar über QH Oil Investments mit knapp 19 Prozent zu den internationalen Anteilseignern. »Wir haben die Interessen unserer Aktionäre verteidigt und dies effektiv getan«, so Leontiyev. »Und für wen die Risiken gelten, ist für uns kein Thema. Hauptsache, die Risiken verlassen uns.«
Alvarado dagegen glaubt, »dasselbe Rosneft-Personal wird in Venezuela bleiben und die Operationen fortführen«. Das sei kein normaler Verkauf und auch nicht der Moment, ein Unternehmen zu reorganisieren. »Sie suchen einen Wechsel der juristischen Figur, um mit mehr Flexibilität operieren zu können.«
Anders als Rosneft muss eine staatliche Tochtergesellschaft ihren Investoren keine Rechenschaft ablegen. Zudem bedeutet der angekündigte Eigentümerwechsel, dass künftige US-Sanktionen gegen russisch kontrollierte Öloperationen in Venezuela direkt gegen die russische Regierung gerichtet wären. Russlands Botschafter in Venezuela, Sergei Melik-Bagdasárov, twitterte: »Keine Sorge! Hier geht es um die direkte Übertragung von Rosnefts Vermögen in Venezuela an die russische Regierung. Wir werden auch in Zukunft gemeinsam vorangehen.« Maduro retweetete den Kommentar des Botschafters.
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