- Politik
- Coronavirus in den USA
Die Opfer des freien Marktes
Max und Moritz analysieren im Chat mit Oliver Kern jede Woche den US-Wahlkampf
Hallo Max. Wie geht es dir und deiner Familie?
Max Böhnel ist USA-Korrespondent des »nd« und lebt seit 1998 in New York. Dort arbeitet er für mehrere Publikationen und Radiosender in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Moritz Wichmann ist Redakteur im Onlineressort des »nd«, sein Schwerpunkt sind die USA. Er studierte Politik und Soziologie in Berlin und New York. Ein Teil seiner Familie lebt in den USA.
Oliver Kern ist Redakteur im Sportressort des »nd«. Er studierte einst in einer Kleinstadt in Ohio. Bis heute hält er sich auf dem Laufenden, was politisch in den USA los ist.
Den Umständen entsprechend. Wir leben in einer New Yorker Vorstadt, 45 Minuten von Manhattan entfernt. Das ist noch mitten im Epizentrum der Pandemie. Alles ist zu, bis auf Supermärkte, Tankstellen und Krankenhäuser. Wir gehen mit selbst gemachten Gesichtsmasken raus. Alles, was ins Haus kommt, wird desinfiziert. Die Stimmung ist geprägt von Unsicherheit, Nervosität und Zukunftsangst.
New York zählt mehr als 40 000 Infizierte und über 1000 Tote. Bilder zeigen überfüllte Krankenhäuser, Kühltrucks, die als Leichenhallen dienen, und Ärzte, denen Masken fehlen. Was ist schiefgelaufen?
Das ist Ausdruck des »freien Marktes«. Seit mehr als einem Jahrzehnt werden Krankenhäuser geschlossen oder »verschlankt«, um Kosten zu sparen. Gouverneur Andrew Cuomo, der jetzt Washington um Geld und Beatmungsgeräte anbettelt, hat noch zu Jahresbeginn angekündigt, das staatliche Versicherungssystem für Alte, Arme und Kranke weiter zu kürzen. Sechs Millionen New Yorker sind darüber versichert. Diese Bilder kommen aus staatlichen Krankenhäusern, denen die Mittel gestrichen wurden. In privaten Kliniken sieht es besser aus. Dort sind aber auch diejenigen untergebracht, die die Behandlung selbst bezahlen können.
Welchen Eindruck macht Präsident Trump?
Mittlerweile einen sehr staatsmännischen. Er scheint die Krise jetzt endlich ernst zu nehmen und warnte davor, dass uns zwei sehr schwere Wochen bevorstehen und dass mit einer Viertelmillion Toter zu rechnen sei, selbst wenn sich alle an die Vorgaben halten.
Ist von Joe Biden und Bernie Sanders noch etwas zu hören?
Der Vorwahlkampf wird ausgeblendet. Biden gibt TV-Interviews aus seinem Keller, in denen er Trump recht sanft kritisiert. Sanders macht Ähnliches, das ist aber nur auf Facebook zu sehen.
US-Bürger bekommen eine Art Überbrückungsgeld von 1200 Dollar. Wie lange reicht das, wenn man den Job verliert?
In New York ist das eine halbe Monatsmiete für eine Ein-Zimmer-Wohnung. In Mississippi sind die Lebenshaltungskosten niedriger, da halten 1200 Dollar länger. Aber sie sind auch dort bald weg. Von Überbrückungsgeld kann man also nicht sprechen. Und wenn doch, dann herrscht am anderen Ende der Brücke tiefe Dunkelheit.
Diese Finanzspritze ist also ein Armutszeugnis fürs marode Sozialsystem?
Eher eins für den neoliberalen Kapitalismus. Die Politiker erkennen jetzt, dass das System zusammenbricht, wenn die Regierung nicht massiv Geld in die Kreisläufe pumpt. Wenn keiner mehr was kauft, wird sich das auch auf die Profite der Mächtigen auswirken.
Ich habe von Streiks gehört. Stehen die im Zusammenhang mit Corona?
Ja, ganz direkt. Es sind oft kleine wilde Streiks. Bei uns im Ort gibt es einen Luxus-Lebensmittelmarkt. Dort wurde Angestellten verboten, Masken zu tragen. Die bekamen Angst vor Ansteckung und sind stinksauer raus aus dem Laden. Zwei Stunden später durften alle Masken tragen. Ein kleines Beispiel dafür, wie die Krise langfristig zu mehr Selbstbewusstsein bei den Lohnabhängigen führen kann. Sie hat also auch etwas Gutes.
In den ersten drei Folgen von Max & Moritz ging es um das Comeback von Joe Biden am Super Tuesday und wie das Coronavirus den Wahlkampf verändert hat und was das vom US-Kongress beschlossene Hilfspaket gegen die Coronakrise enthält.
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