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Kirchen verlieren massiv Mitglieder
Zahl der Austritte bei den beiden großen Konfessionsgemeinschaften stiegen 2019 um mehr als 20 Prozent
Wie viele Institutionen befindet sich auch die evangelische Kirche in der aktuellen Coronakrise im Stress. »Wir sind leider terminlich gerade ziemlich ausgelastet«, heißt es aus der Pressestelle der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Die Kirche bietet Beratungen zur Gestaltung des Familienalltags in Coronazeiten und unterstützt Nachbarschaftshilfen. Außerdem werden digitale Glaubensangebote entwickelt. Damit Trauerfeiern für Verstorbene weiterhin möglich sind, haben die Friedhofsverwaltungen die Voraussetzungen an die Präventionsregeln angepasst. Inwiefern sich diese wichtige Krisenintervention der Kirche sich auch auf die Mitgliedszahlen auswirken könnte, ist bislang noch unklar. Aber: »Das Bedürfnis nach Gemeinschaft ist stark in diesen Tagen«, sagt Amet Bick, die Pressesprecherin der EKBO.
Fakt ist, im vergangenen Jahr ging die Anzahl der Kirchenmitglieder in der Hauptstadt weiter stark zurück. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf eine Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Linke) hervor, die »neues deutschland« exklusiv vorab vorliegt. Demnach hatte die Evangelische Kirche in Berlin im vergangenen Jahr nach vorläufigem Stand 12 196 Austritte zu verkraften. Absolut sank die Zahl der Mitglieder der Evangelischen Kirche von 558 992 auf 534 036 Mitglieder ab. Damit setzte sich der seit 2014 andauernde Niedergang fort – seinerzeit hatte die Evangelische Kirche noch 611 800 Mitglieder. Bei den Berliner Amtsgerichten wurden 2019 darüber hinaus auch 8719 Austritte aus der römisch-katholischen Kirche verzeichnet. Im Vergleich zum Vorjahr 2018 nahm die Zahl der Kirchenaustritte bei den beiden großen Landeskirchen damit in Berlin um über 20 Prozent zu. Im Jahr 2018 hatte die Katholische Kirche in Berlin nach Angaben des Statistischen Jahrbuches noch 326 095 Mitglieder.
»Der Trend der vergangenen Jahre setzt sich fort. Immer weniger Menschen sind in Berlin Mitglied einer der beiden großen christlichen Kirchen«, erklärt Sebastian Schlüsselburg »nd«. Inzwischen seien es zusammen weniger als ein Viertel aller Berlinerinnen und Berliner. Der Linke-Abgeordnete meint: »Vor diesem Hintergrund werden einige Privilegien der christlichen Kirchen zunehmend zu einem Anachronismus.«
»Der Rückgang der Kirchenmitgliedszahlen ist sehr schmerzlich«, sagt Bick. Die Ursachen seien vielfältig: demografischer Wandel, zunehmende Säkularisierung, die Erosion der Zustimmung zu großen Institutionen und Organisationen, so die Pressesprecherin der evangelischen Kirche.
Aber vielleicht trägt auch die Praxis der beiden großen Landeskirchen zum Anstieg der Austritte bei? Wie aus der Antwort des rot-rot-grünen Senats auf eine weitere Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Schlüsselburg hervorgeht, sind die beiden Berliner Landeskirchen nämlich selber damit beauftragt, mit einem Briefkopf »Kirchensteuerstelle beim Finanzamt« Fragebögen zu verschicken, um beim Zuzug von Konfessionslosen zu klären, ob gegebenenfalls eine Kirchenzugehörigkeit vorliegt.
»Besonders fragwürdig finde ich es auch aus Datenschutzgründen, dass kirchliche Institutionen anscheinend weitgehend unkontrolliert mit den Meldedaten der Berlinerinnen und Berliner arbeiten«, so Sebastian Schlüsselburg, der Sprecher für Recht und Datenschutz der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus ist. Aus Sicht des Abgeordneten wäre möglicherweise eine Prüfung durch die Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk angezeigt. »Außerdem entzieht sich das Agieren der Kirchensteuerstellen, wie meine Anfrage zeigt, jeglicher parlamentarischer Kontrolle, obwohl sie auf gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen handeln. Das ist inakzeptabel«, sagt Schlüsselburg.
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