Leere Betten in Lissabon

Rückschlag für Portugal: Coronakrise trifft Wirtschaft des iberischen Landes hart

  • Peter Steiniger
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Portugiesen sind wirklich krisenerprobt. Der Beinahe-Staatsbankrott nach langer wirtschaftlicher Talfahrt mit dramatischen sozialen Folgen liegt kein Jahrzehnt zurück. Nun fordert die Eindämmung des Coronavirus dem Land erneut viel ab. Für März ermittelte das nationale Statistikamt INE bereits einen deutlichen Rückgang bei allen Indikatoren zum Wirtschaftsklima.

Besonders hart trifft das beliebte Reiseland die Aussetzung des internationalen Personenverkehrs. Denn eine der Säulen des Wirtschaftswachstums ist der Tourismus. Zu den Schattenseiten des Booms zählen die Zunahme der Immobilienspekulation, steigende Mieten und Verdrängung. Allein die Hauptstadt Lissabon zählte im vergangenen Jahr mehr als sechs Millionen Besucher. Noch im Februar zeigte die Kurve nach oben: Im Vergleich zum Vorjahr wurden 16 Prozent mehr Gäste beherbergt. Etwas spielte bei den Zahlen der Karneval mit hinein. Zur selben Zeit hatte sich die Zahl der Touristen aus China halbiert, wo der Spaß aufgrund der Covid-19-Seuche bereits vorbei war.

Auch ohne das Corona-Drama haben viele Bürger des iberischen Landes genug Sorgen. Zwar haben die Sozialisten von Premier António Costa 2015 die von der Troika verordnete Austeritätspolitik beendet und auch beim Sozialen einen Paradigmenwechsel vollzogen. Die Tolerierung der PS durch die Parteien links von ihr zeigte Wirkung, doch überwunden ist die Misere in einem der ärmeren EU-Staaten längst nicht. Lissabon sitzt weiter auf einem gewaltigen Schuldenberg. Die Arbeitslosenrate sank unter sieben Prozent, doch mehr als jeder zweite Erwerbslose erhält keine Arbeitslosenhilfe. Löhne und Gehälter sind niedrig, prekäre befristete Beschäftigung ist weit verbreitet. Eine Dreiviertelmillion Menschen verdient nicht mehr als den gesetzlichen Mindestlohn, der zu Jahresbeginn um 31 auf 635 Euro angehoben wurde.

Im krassen Gegensatz zur Tragödie im Nachbarland Spanien ist die Lage des portugiesischen Gesundheitssystems trotz Coronakrise noch relativ entspannt. Nach Jahren der Einsparungen zeigte die Zahl der Kliniken, Betten und Ärzte zuletzt einen Trend nach oben. Anfang März waren in Portugal erste Ansteckungen mit dem Coronavirus gemeldet worden. Mittlerweile gibt es mehr als 12 000 Fälle, 345 mit dem Virus infizierte Menschen sind gestorben. Am vergangenen Wochenende trafen medizinische Hilfsgüter aus China in Lissabon ein.

Am Mittwoch diskutierte das Parlament eine Reihe von Maßnahmen, um die Auswirkungen der Krise auf Bildung, Kultur und Wirtschaft zu dämpfen. Bereits Ende März hatte Lissabon Asylbewerbern bis mindestens zum 1. Juli die gleichen Rechte wie ständigen Einwohnern gewährt. Per Amnestie sollen jetzt Gefangene, die keine Schwerverbrecher sind, vorzeitig entlassen werden. Kommunisten und Linksblock drängen besonders auf soziale Rabatte für Familien und Kleinunternehmen bei Kommunikation, Gas, Wasser und Strom.

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