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Jens Spahn im Fettnapf

Protest bei Politikervisite im Uniklinikum Gießen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch unter erschwerten Bedingungen ist politischer Protest möglich. Das wurde am Rande eines Politikerbesuchs am Uniklinikum Gießen-Marburg (UKGM) deutlich. Am Standort Gießen machten sich am Dienstag Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und Kanzleramtsminister Helge Braun (alle CDU) angesichts der Corona-Pandemie ein Bild von der Lage und sprachen mit Managern, Pflegekräften und Studierenden. Der vor allem als PR-Aktion konzipierte Abstecher nach Mittelhessen, wo die Wahlkreise von Braun und Bouffier liegen, geriet indes zum medialen GAU für Spahn.

»Löhne rauf, Konzerne raus. Gemeinsam für unser Klinikum!«, lautete die Parole, die UKGM-Betriebsratsmitglied Robin Stammberger auf ein Stoffbanner gemalt hatte. Das spontan hochgehaltene Transparent bildete eine passende Kulisse für die Fernsehberichte über den Termin in Gießen. Der Slogan auf dem Transparent spielte auf die Privatisierung des UKGM durch die hessische CDU-Regierung vor 15 Jahren an.

Der damalige Ministerpräsident Roland Koch hatte den bundesweit bisher einzigartigen Vorgang als »Leuchtturmprojekt« gefeiert. Der ver.di- und Linke-Aktivist Stammberger ist Krankenpfleger und setzt sich zusammen mit vielen anderen seit Jahren für die Abkehr von der Privatisierung und Rücküberführung der Kliniken in die öffentliche Hand ein. »Das System ist ohnehin finanziell knapp auf Kante genäht. Wenn Private dann noch schwarze Zahlen schreiben und Geld rausziehen wollen, leider darunter zwangsläufig die Qualität der Versorgung«, so seine Überzeugung, die sich auf tagtägliche Erfahrungen stützt. Der Sparzwang schlage sich auch in Bereichen wie Essenszubereitung, Reinigung und Materialbeschaffung nieder.

Für den Bundesgesundheitsminister hatte Stammberger noch einen Hinweis parat: »Herr Spahn, Sie tragen die Maske verkehrt rum.« Der Politiker hatte offensichtlich Mühe, den ausgehändigten Mund-Nase-Schutz sachgemäß umzubinden. »Wenn ich Sie nicht hätte«, sagte Spahn vor laufender Kamera, wendete das Teil in vertikaler Richtung um 180 Grad und schritt eilig weiter. »Er hätte den Mund-Nase-Schutz eigentlich horizontal drehen sollen«, meinte Stammberger im Gespräch mit »nd«. Der Minister habe »an dem Teil so oft nervös herumgefingert, dass er besser ohne weiter gelaufen wäre.« Anders als Spahn und Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne), die einen einfachen Mund-Nase-Schutz trugen, hatte Bouffier eine FFP3-Maske mit Partikelfilter aufgesetzt.

Wenig später verbreitete sich ein Bild von Spahn, Bouffier und zehn anderen Personen, dicht gedrängt in einem Fahrstuhl stehend, in Windeseile den Onlinenetzwerken. Dass dabei niemand den seit vier Wochen propagierten und für den Gesundheitsschutz erforderlichen Mindestabstand einhielt, sorgte für reichlich Spott; der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach twitterte: »Das Foto zeigt sehr genau, wie es nicht gemacht werden sollte. Dazu in einer Uniklinik. Uff. Hoffentlich war niemand infiziert« Spahn zeigte sich in einer Antwort darauf reumütig und gelobte, das nächste Mal die Treppe zu benutzen.

Am Rande der Politikervisite übergaben Vertreter des Aktionsbündnisses »Gemeinsam für unser Klinikum« ihre Forderungen nach Wiederverstaatlichung des UKGM an Bouffier, Klose und Spahn. Derzeit arbeitet der Asklepios-Konzern darauf hin, die Rhön AG zu übernehmen, die ihrerseits 2005 das UKGM vom Land übernommen hatte. Sollte es dazu kommen, befürchtet Hessens Linke-Chef Jan Schalauske eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und der Patientenversorgung.

Schalauske, der für seine Partei auch im Hessischen Landtag sitzt, betonte am Mittwoch, gerade die Corona-Pandemie mache deutlich, wie falsch der Weg der »Ökonomisierung« des Gesundheitswesens sei. »Es muss Schluss damit sein, dass Probleme wie immense Arbeitsbelastung des Pflegepersonals, Überstundenberge und teils niedrigere Löhne als in öffentlichen Kliniken zum Alltag im UKGM gehören«, forderte er. Mit Blick auf die Übernahmepläne von Asklepios appelliert Schalauske an die schwarz-grüne Landesregierung, »öffentliche Investitionsmittel« nur unter der Bedingung auszureichen, dass »der Konzern zur Einhaltung konkreter Bedingungen verpflichtet und der Einfluss des Landes auf das UKGM substantiell erhöht wird«.

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