Woher kommt das viele Geld?
Wie die Bundesregierung und ihre Förderbank KfW riesige Summen für Hilfsmaßnahmen bereitstellen können
Adidas holt sich zum Überstehen der Coronakrise bis zu 2,4 Milliarden Euro von der staatlichen Förderbank KfW. Doch der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach bildet in dieser Woche nur die Spitze des Eisberges. In Deutschland, der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, stellt die Bundesregierung weit größere Beträge für Hilfsmaßnahmen in Aussicht. Insgesamt beläuft sich das Volumen der Finanzhilfen, die der Bund bereitstellt, auf etwa 1,5 Billionen Euro. Hinzu kommen Kurzarbeitergeld, steuerliche Maßnahmen, soziale Sicherung und Soforthilfen der Länder. Die »Schwarze Null« ist damit Geschichte. Doch woher bekommt die Regierung plötzlich so viel Geld?
Eine zentrale Rolle bei der Verteilung der Hilfen spielt die staatliche Förderbank KfW mit ihren knapp 7000 Beschäftigten. Sie vergibt zinsgünstige Darlehen an Handwerker, Gewerbetreibende oder multinationale Konzerne und kassiert dafür Zinsen, die sich am Einzelfallrisiko orientieren. Die Bearbeitung der Kreditanträge übernehmen Banken und Sparkassen, die dafür eine Gebühr von 1000 Euro je Kredit und eine jährliche Gewinnmarge von 0,2 Prozent erhalten.
Das Risiko trägt nahezu vollständig die KfW und damit letztlich deren Eigentümer: Bund und Länder. Teuer würde es für das zweitgrößte deutsche Kreditinstitut allerdings erst werden, wenn die Kreditnehmer nicht zurückzahlen könnten.
»Die KfW refinanziert seit Jahrzehnten ihr Fördergeschäft an den Kapitalmärkten, begibt also insbesondere Anleihen, die von Investoren weltweit gezeichnet werden«, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Noch im Dezember war für dieses Jahr ein Volumen von 75 Milliarden Euro geplant gewesen. Nun dürfte die Planung ausgeweitet werden, »zeitnah« werde man berichten. Um die Krise besser abfedern zu können, wird zudem der Bund bis zu 100 Milliarden Euro direkt zur Verfügung stellen.
Den mit Abstand größten Batzen unter den Finanzhilfen machen Bürgschaften des Bundes aus. Stand jetzt sind Garantien für 1,2 Billionen Euro beschlossen worden. Hier ähnelt die Coronakrise dann doch der Finanzkrise 2008. Damals »retteten« Bund und Länder Banken vor allem mit Hilfe von Bürgschaften, deren tatsächliche Kosten bis heute nicht feststehen. Zunächst sind Bürgschaften des Bundes ein bürokratischer Hebel, um der Wirtschaft ohne den unmittelbaren Einsatz von Steuergeldern schnell Liquidität zu verschaffen.
Ganz handfest hat der Bundestag indes im März 156 Milliarden Euro - finanziert durch neue Schulden - für den Nachtragshaushalt 2020 freigegeben. »Wir gehen in die Vollen, um unser Land zu schützen«, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) fast schon pathetisch. Weitere Mittel dürften wohl als Schattenhaushalt über einen noch zu gründenden Wirtschaftsstabilisierungsfonds fließen. Ihm sollen 2020/2021 bis zu 200 Milliarden Euro für staatliche Unternehmensbeteiligungen und für die Finanzierung von Großkrediten zur Verfügung stehen.
Das nötige Geld beschafft sich Scholz über die Finanzagentur der Bundesrepublik. Die im September 2000 gegründete GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main sollte dem Bund ursprünglich in diesem Jahr 210 Milliarden Euro am Finanzmarkt besorgen, um damit alte Schulden abzulösen. Dazu legt die Agentur Bundeswertpapiere auf und verkauft sie auf Auktionen. Im April sind noch sechs davon geplant, die 25 Milliarden einbringen sollen. Die Laufzeiten der Papiere reichen von einem halben bis hin zu dreißig Jahren, der Zinssatz liegt meistens um die null Prozent. Trotzdem balgen sich Investoren aus aller Welt darum, gelten doch deutsche Staatspapiere in Coronazeiten als eine der wenigen sicheren Geldanlagen. Das hat die Zinsen der Bundesanleihen in der Krise weiter nach unten gedrückt, was dem Finanzminister viele Milliarden erspart.
Unmittelbar teilnehmen an den Auktionen können nur die Mitglieder der »Bietergruppe Bundesemissionen«, einer Art »Who is Who« der globalen Finanzwelt: Von Citigroup und Deutscher Bank über Goldmann Sachs und der britischen HSBC bis hin zu Nomura in Japan und der Schweizer UBS. Die Großbanken verteilen die Anleihen dann an ihre Kunden.
Auch die globale Refinanzierung der Adidas-KfW-Hilfen bleibt andernorts nicht folgenlos. Zwar ist an den Finanzmärkten genügend Geldkapital vorhanden, doch auch hier gilt der alte Spruch, dass jede Mark nur einmal ausgegeben werden kann. Außerdem werden auch in Frankreich, USA, Japan und anderen Industriestaaten billionenschwere Schulden zur Finanzierung staatlicher Rettungspakete aufgenommen. Die Folge ist die Umleitung von Geldströmen: »In den letzten Wochen sind Investoren in Scharen aus Staats- und Unternehmensanleihen der Schwellenländer geflüchtet«, berichtet die Investmentgesellschaft M&G. Die Nachfrage nach Geldanlagen in den vermeintlich sicheren Häfen Euro und Dollar ist dadurch deutlich gestiegen.
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