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Nervenaufreibender Stillstand

Mehr als drei Jahre nach dem Anschlag ist die Versorgung geschädigter Menschen oft noch in der Schwebe. Statt Therapie steht Papierkrieg auf dem Plan

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Gerhard Zawatzki sind die Wochen der Ausgangsbeschränkungen auch Wochen, in denen es in seinem Versorgungsfall beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) nur schleppend vorangeht. »Das LaGeSo ist in einer Art Sparbetrieb. Man macht dort Homeoffice, hat aber keine Akten zu Hause«, erklärt sich Zawatzki die Verzögerungen der letzten Wochen.

Für ihn geht es nach einer Versorgungszeit mit Geldern der Unfallkasse nun nicht nur um die finanzielle Existenz. Die Unfallkasse habe von Februar 2019 bis in den Dezember 2019 gezahlt. Kurz vor dem dritten Jahrestag des Anschlags hätte er sich mit Anträgen befassen, wieder und wieder das Erlebte schildern, Details in Formulare eintragen und Auskünfte zu seinen finanziellen Mitteln geben sollen. Ein bürokratischer Aufwand, der dem einer Steuererklärung gleichkommt. »Die Bearbeitung schaffe ich nur phasenweise. Meist endet es da, wo ich wieder an unklare oder nicht auf mich zutreffende Passagen stoße. Das zieht mich herunter.«

Zawatzki ist Mitte 50 und war ein Ersthelfer am Anschlagsabend des 19. Dezember 2016. Ein paar Schritte die Treppen an der Gedächtniskirche hinauf zu einem Stand mit polnischen Spezialitäten entschieden an diesem Abend darüber, dass er Helfer und nicht Opfer des Anschlages wurde. Ein Bild ging durch die ZDF-Nachrichten, das ihn zeigte, wie er eine Infusionsflasche hält und den Rettungssanitätern assistiert. Zawatzki weiß, was er tut.

Seinen Wehrersatzdienst hat er in den 1980er Jahren im Katastrophenschutz in München abgeleistet. An diesem Abend suchte er in den Trümmern nach Verletzten, denen er noch helfen konnte. Routiniert, wie er es vor Jahren gelernt hatte. Es dauert Monate, bis die Auswirkungen dieses Abends nicht mehr zu leugnen sind. Als in Spanien auf der Straße Las Ramblas in Barcelona im August 2017 ein ähnliches Attentat geschieht, trifft es Zawatzki ins Mark. Er sitzt vor dem Fernseher, kann sich stundenlang nicht rühren. In den Tagen darauf muss er akzeptieren, dass er den Anschlagsabend nicht verarbeitet hat. Und nicht nur er.

Die Politiker in Berlin differenzierten 2017 nur zwischen Opfern des Anschlags und den Mitarbeitern von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten. Zivile Helfer wie Gerhard Zawatzki hatte zunächst niemand auf dem Schirm. Am ersten Jahrestag des Anschlags kommt er mit einer Psychologin ins Gespräch. Sie rät ihm , sich an das LaGeSo zu wenden. Dort sieht man sich zunächst nicht zuständig, verweist an die Unfallkasse. Zawatzki lebt von Erspartem. Einen Job hat er momentan nicht. »Seit die Fallbearbeitung der Opfer und Angehörigen auch in den Bundesländern stattfindet, aus denen sie stammen, wird deutlich, wie langsam das LaGeSo arbeitet«, konstatiert Zawatzki. »Was fehlt, ist ein Fallmanagement, das sich individuell kümmert und dran bleibt, wo wir das wegen der Traumata und Belastungen nicht durchgängig schaffen.«

Im Wirrwarr aus unterschiedlichen Sachbearbeitern ist kaum ein Überblick zu bewahren. Momentan hofft Zawatzki darauf, dass die telefonisch gemachten Zusagen auch gehalten werden. Er soll nun rückwirkend zum 1. Januar Leistungen erhalten und auch eine Krankenversicherung sei für den ehemals Selbstständigen aus der IT-Branche gefunden. Schriftlich hat er das noch nicht.

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