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Wer die Mittel hat
Universitäten starten mit digitaler Lehre in das Sommersemester. Das kann besonders Arbeiterkinder vor neue Herausforderungen stellen.
Diese Woche beginnt an den Universitäten das Sommersemester – mit digitaler Lehre. Diese Situation ist für alle neu, aber nicht für alle mit den gleichen Herausforderungen verbunden. Wie die Organisation ArbeiterKind berichtet, kämpfen gerade Studierende aus Nichtakademiker-Familien mit Verunsicherung, bis hin zu Schockstarre und Überlegungen zum Abbruch des Studiums.
»Arbeiterkinder haben in der Regel, auf Grund der ihnen unvertrauten, neuen Welt, größere Unsicherheiten beim Semesterstart, die jetzt aufgrund der neuen Situation und des mangelnden persönlichen Kontakts zur Universität oder Hochschule noch verstärkt werden«, berichtet Julia Kreutziger von der Organisation ArbeiterKind. Die bundesweit agierende Organisation fördert das Studium von Nichtakademiker-Kindern. Verunsicherung über Abläufe und Regeln mag es für alle Studierende geben, im Gegensatz zu Akademikerkindern können Studierende mit Nichtakademiker-Hintergrund jedoch nicht auf Erfahrungen innerhalb der Familie zurückgreifen. Sie brauchen Anlaufstellen, die durch Corona-Maßnahmen derzeit nur digital und telefonisch verfügbar sind.
ArbeiterKind berichtet von Hilferufen, wie die eines Studenten an der Beuth-Hochschule in Berlin. Für ihn fängt die Ratlosigkeit dabei an, dass er sich für Kurse registrieren muss, jedoch nicht weiß ob er darf, weil er noch Prüfungen aus dem ersten Semester nachzuholen hat. Die Sorgen gehen so weit, dass er bereits über Abbruch oder Urlaubssemester nachgedacht hat. Dem entgegenwirken könnten Forderungen nach einem Solidarsemester oder Vorschläge eines Nicht-Semesters. Dabei geht es darum, dass Studierende zwar in der Lage sein sollen Leistungspunkte zu erwerben und Prüfungen zu schreiben, dass das Semester jedoch nicht regulär zählen darf. »Studierende, die erwerbstätig sind, Care-Verpflichtungen haben, über wackelige technische Infrastruktur und wenig Ressourcen verfügen, sind die Mehrheit, nicht die Ausnahme«, heißt es in einer Petition von Professorinnen der Universitäten München, Trier und Hannover. Ihnen dürfe die aktuelle Krisenlage nicht zum Nachteil werden.
Die Probleme sind teils rein praktische: Für Studierende aus einkommensschwachen Familien ist es nämlich nicht selbstverständlich, Zuhause die nötige technische Ausstattung zu besitzen. Ein Professor an der Technischen Hochschule in Aachen berichtet ArbeiterKind, dass bereits alle Rechner aus dem eigenen Bestand an Studierende verliehen seien. Die ganze Situation erfordert, neben teils neuer Digitalkompetenz, eine Selbst- und Neuorganisation, die für einige Studierende viel Kraftanstrengung bedeutet, erzählt Cara Coenen, ArbeiterKind-Koordinatorin in NRW.
Hinzu kommt die existenzielle Not. Durch Corona haben viele Studierende ihre Nebenjobs verloren. Und gerade Studierende aus nicht-akademischen Familien haben in der Regel keinen finanziellen Backup der Eltern, so Kreutziger. Nothilfefonds, wie der des Berliner Studierendenwerks, sind schnell ausgeschöpft. Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprach sich vergangene Woche erneut für zinslose Darlehen aus, die Betroffene möglichst schnell als Überbrückungshilfen beantragen können. Ein Vorschlag, den die Kultusministerkonferenz der Länder jedoch ablehnt. Stattdessen müsse der Zugang zum BAföG für diejenigen ermöglicht werden, die zwar bisher keine Leistung bezogen haben, denen jetzt aber Einkommen wegbricht. Ein Modell, das auch die SPD unterstützt, Bundesbildungsministerin Karliczek hingegen ablehnt. Man sei erstaunt darüber, mit welchem »Beharrungsvermögen« Karliczek sich dagegen stemme, Studierenden »wirkliche und unbürokratische Hilfen zu gewähren«, sagte SPD-Vizefraktionschefin Bärbel Bas dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Das kleckerweise Herumdoktern von Bundesministerin Karliczek ist völlig realitätsfern«, kritisierte auch die hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion Nicole Gohlke. Immerhin ist die Nachfrage nach studentischen Arbeitskräften in den Bereichen Lebensmittel- und Logistikbranche seit Corona gestiegen.
In Sachen Chancengleichheit bei der Bildung – von der Grundschule bis zur Hochschule – ist Deutschland seit Langem kein Vorbild. Die soziale Herkunft bestimmt über den Bildungserfolg, weswegen Bildung sozusagen vererbt wird. Gleichzeitig schlagen Kinder oft einen ähnlichen Bildungsweg ein, wie ihre Eltern, was die sogenannte Bildungsmobilität gering hält. Für die jetzt startende digitale Lehre gilt daher umso mehr, Studierende aus Nichtakademiker-Familien nun nicht aus dem Blick zu verlieren.
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