Überläufer

Personalie

  • Fabian Kretschmer
  • Lesedauer: 2 Min.

Bis vor vier Jahren diente Thae Yong Ho noch einem Land, das Wahlen lediglich pro forma abhält. Am Mittwoch errang der gebürtige Nordkoreaner selbst einen historischen Wahlsieg: Als erster Nordkoreaner gewann der 57-jährige Überläufer einen Sitz in der südkoreanischen Nationalversammlung. Im ikonischen Nobelbezirk Gangnam in Seoul stimmten über 58 Prozent für den einstigen Diplomaten. Kurz vor seinem Wahlsieg kündigte Thae an, dass seine Kandidatur auch eine Botschaft an die Eliten in Pjöngjang sei: »Ich möchte ihnen zeigen, dass sie einen neuen Weg für die Zukunft haben.«

2016 war Thae in einer spektakulären Nacht-und-Nebel-Aktion mit seiner Familie übergelaufen. Als stellvertretender Botschafter diente er Nordkorea in London. Wegen seiner zwei Söhne hat er sein privilegiertes Leben als nordkoreanischer Diplomat aufgegeben: »Als Vater sollte ich sie in Freiheit aufwachsen lassen. Ich kann sie nicht zwingen, in dieser miserablen Gesellschaft zu leben.«

In Südkorea nahm ihn eine Denkfabrik, die dem Geheimdienst unterstand, unter die Fittiche. Von dort möchte der Nordkoreaner die Führung seines Herkunftslandes zu Fall bringen.

Seitdem jedoch in Seoul mit Moon Jae In ein linksgerichteter Präsident das Sagen hat, der die Annäherung mit Nordkorea sucht, waren Thaes Tage gezählt. Der öffentliche Druck wuchs gewaltig: Kritiker warfen ihm vor, mit seinen kritischen Aussagen über Nordkoreas Führung um Kim Jong Un den Friedensprozess zu gefährden. Thae Yong Ho trat von seinem Posten in der Denkfabrik ab.

Über 33 000 Nordkoreaner leben mittlerweile in Südkorea, wo sie automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen. Dennoch werden viele diskriminiert und leben am wirtschaftlichen Rand. Im letzten Jahr schockte der Fall einer Nordkoreanerin, die mit ihrem Kleinkind tot in ihrem Apartment in Südkorea aufgefunden wurde - als Folge von Unterernährung. Auch diese Stigmatisierung will Thae Yong Ho beseitigen. Kurz vor seiner Kandidatur änderte er seinen Vornamen in »Ku Min«, was übersetzt heißt: »Leben retten«.

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